Gewaltausbruch - Abgelehnter Asylbewerber greift Mitarbeiter des Landratsamts Tuttlingen an / Abschiebung bislang nicht möglich

Nach Angriff mit Holzlatten in Polizeigewahrsam

Von 
Mirjam Moll
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Eskalation der Gewalt: Diese Szene hat sich vor dem Tuttlinger Landratsamt abgespielt. Tatverdächtig ist ein 48-jähriger abgelehnter Asylbewerber. © Südkurier

Tuttlingen. Es ist eine Szene wie aus einem schlechten Film: Bewaffnet mit zwei nagelgespickten Holzlatten dringt ein Mann in das Büro einer Mitarbeiterin beim Amt für Aufenthalt und Integration in Tuttlingen ein. Er schlägt das Fenster und schließlich den Computer der Beamtin kaputt, bevor er auf die Straße rennt. Die Mitarbeiterin bleibt unverletzt, alarmiert aber sofort ihren Vorgesetzten Bernd Mager. Inzwischen schlägt der Angreifer auf den Wagen einer jungen Frau ein. Diese hält an, versucht, ihn zur Rede zu stellen. Der wütende Mann droht, sie zu verletzen.

Bernd Mager, Sozialdezernent im Landratsamt Tuttlingen, rennt hinaus. Der 55-Jährige versucht, den Mann zu beruhigen, mit dem er schon öfter zu tun hatte. Doch der holt aus. Einem Hieb mit der Holzlatte kann der Beamte ausweichen, der nächste erwischt ihn im Gesicht. Mager gelingt es, den Mann zu überwältigen und am Boden zu fixieren, bis die Polizei eintrifft. Das alles erzählt er in ruhigem Ton. Seine Schnittwunde wurde inzwischen im Krankenhaus behandelt.

Justizminister Guido Wolf zeigte sich erleichtert, dass den Mitarbeitern, die er noch aus seiner damaligen Zeit als Landrat kenne, nichts Schlimmeres passiert sei. „Vor dem Dezernenten, der eingegriffen hat, um den Angriff auf eine Passantin abzuwehren, habe ich großen Respekt.“ Abgespielt hatte sich die Szene am Dienstagmorgen, wie die Polizei bekannt gab. Der Angreifer ist den Behörden bestens bekannt. „Normalerweise randaliert er nur“, sagt Mager über den abgelehnten Asylbewerber.

Mehrfach in der Psychiatrie

Dabei war der Ausbruch des 48-jährigen Tatverdächtigen nach Angaben Magers nicht der erste. „Die Situation eskaliert zunehmend“, klagt dieser. Immer wieder habe der Mann Mitarbeiterinnen in der Tiefgarage aufgelauert. Erst vor Kurzem habe er die Scheibe eines Geldautomaten zertrümmert, in seiner Unterkunft randaliert. Der entstandene Schaden im Landratsamt wird noch berechnet, Mager geht von einem sechsstelligen Betrag aus. Mehrfach sei die Polizei wegen des Asylsuchenden ausgerückt, mehrmals sei dieser über Nacht in die Psychiatrie eingewiesen worden.

Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) hat gestern versprochen, „alles zu tun, was möglich ist, um bestehende Ausreisepflichten durchzusetzen“. Nun prüft die Staatsanwaltschaft Rottweil, einen Antrag auf Untersuchungshaft zu stellen. Derzeit befindet sich der Mann in Polizeigewahrsam bis einschließlich Montag.

An diesem Tag beginnt vor dem Amtsgericht Tuttlingen ein von dem Vorfall unabhängiger Prozess: Der 48-Jährige muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verantworten.

Bereits im Februar 2016 war dessen Asylantrag abgelehnt worden. Das für die Abschiebung zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe gab auf Anfrage an, dass der „Betreffende mangels Reisedokumenten nicht abgeschoben werden“ könne. Seit Mitte März liege eine „negative Rückmeldung“ des pakistanischen Generalkonsulats vor – der Mann könne von den dortigen Behörden nicht identifiziert werden. Eine Abschiebehaft sei in seinem Fall ebenfalls nicht möglich.

Miriam Moll ist Redakteurin bei der Zeitung "Südkurier"

Korrespondent

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