Verwaltungsgerichtshof - Landwirte-Ehepaar unterliegt dem Landratsamt des Neckar-Odenwald-Kreises

Milchautomat nur bei der Kuh

Von 
Maximilian Münster
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Ein junge zapft Rohmilch aus einem Automaten.

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Mannheim. Es war ein großer Verlust für den kleinen Ortsteil Dallau der Gemeinde Elztal im Neckar-Odenwald-Kreis: Das Landratsamt untersagte einem Landwirte-Ehepaar den Betrieb eines Rohmilch-Automaten, weil dieser zu weit vom Kuhstall entfernt liegt. Die Dallauer mochten das Erzeugnis, das es im "Milchhäusle" - so hieß das Geschäft - zu kaufen gab. Auch beim Durchgangsverkehr der nah gelegenen Bundesstraße 27 kam die Milch gut an. Der Landwirt klagte gegen das Verbot. Nun unterlag er vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH). Das Ehepaar bleibt jedoch hartnäckig.

Kein Verständnis für Verbot

"Es ist ein Betriebszweig, den wir ausbauen wollten und immer noch wollen", ärgert sich die Frau des Landwirts. Die Entscheidung, die das Landratsamt bereits im Jahr 2010 traf, ist für sie völlig unverständlich. Dieses argumentierte mit Paragraf 17 der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung. Danach dürfe Rohmilch nur am Ort des "Milcherzeugungsbetriebs" an Verbraucher abgegeben werden.

Das Problem: Der Automat ist am Stammsitz des Betriebes installiert und damit zwei Kilometer zu weit "vom Euter" weg. Die rund 50 Milchkühe, Milchtank und Melk-Technik befinden sich in einer zweiten Betriebsstätte, die der Landwirt 1996 errichtete. "Es macht keinen Unterschied ob wir am Automaten oder am Ort der Gewinnung verkaufen", zeigt sich die Frau überzeugt. Im Endeffekt müsse man die Milch in beiden Fällen in Kannen füllen und dann transportieren. Sie fühlen sich bevormundet.

Die Dallauer sahen das ähnlich. Sie wollten sich den Laden an zentraler Stelle im Ort und damit die Möglichkeit, "direkt vor der Haustür" Milch zu kaufen, nicht nehmen lassen. Bürger und Landwirte gründeten eine Bürgerinitiative gegen das Verbot der Landkreisverwaltung.

Auch die Betreiber ließen sich die Entscheidung nicht einfach so gefallen. Sie klagten zunächst vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen die Untersagung des Landratsamtes - ohne Erfolg. Die Richter beriefen sich ebenfalls auf Paragraf 17 der Tierischen Lebensmittel-Verordnung und waren der Auffassung, dass Rohmilch aus einem Automaten, keine Abgabe "im Milcherzeugungsbetrieb" sei. Das Verbot sei damit rechtmäßig.

Das Landwirte-Ehepaar wollte den Standort des Milchautomaten jedoch nicht aufgeben. Also ging der Fall an die nächsthöhere Instanz, den Verwaltungsgerichtshof. Die zuständigen Behörden hätten keine hygienischen Bedenken geäußert, wandte der Landwirt mit seiner Berufung ein. Außerdem würde man Hygienebestimmungen nicht automatisch einhalten und Gefahren vermeiden, wenn man Rohmilch an der "Stalltür" abgebe.

Davon ließ sich der 9. Senat des VGH, der für Lebensmittelrecht zuständig ist, nicht überzeugen. Zwar fand er heraus, dass das Landratsamt in einem Punkt falsch lag. Dass es gegen den Betrieb des Milchautomaten einschreiten durfte, hatte es nämlich keinem Bundesrecht, sondern einem EU-Recht zu verdanken. Da jedoch beide Rechtsnormen identische Befugnisse einräumen, änderte sich an der Sachlage nichts. So lautete das Urteil des VGH: Ein Automat, der Rohmilch an Verbraucher abgibt, darf nur dort aufgestellt werden, wo die Milch gewonnen wird.

Schutz des Gemeinwohls

Dabei argumentierte das Gericht mit dem Gemeinwohl. Jeder Zwischenschritt, der bis zum Verkauf gegangen werden müsse, berge Gefahren für den Verbraucher. Rohmilch wurde noch keinem Erhitzungsverfahren unterzogen und ist daher anfällig für Bakterien und Keime. Vor diesem Hintergrund sei ein zwei Kilometer weiter Transport vom Euter zum Automaten einfach zu weit, so die Richter. Außerdem sei es zumutbar, die Maschine direkt bei den Kühen aufzustellen. "Wir fühlen uns gegängelt", ärgert sich die Frau des Landwirts. Geschlagen geben wollen sich die Betreiber noch nicht. Feststeht: Das Urteil soll angefochten werden. Wird eine Revision zugelassen, muss das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den Fall entscheiden. Den Dallauern bleibt nur zu hoffen, dass dessen Urteil anders ausfällt. Denn dann gebe es ihn endlich wieder, den beliebten Rohmilchautomaten, im Herzen des Orts.

Rohmilch

Rohmilch wird nicht erhitzt. Das bedeutet, dass sie anfällig für Bakterien und Keime ist.

Rohmilch hat jedoch auch Vorteile: Sie enthält viele wichtige Aminosäuren, die bei normaler Milch durch das Erhitzen zerstört werden. Außerdem soll sie gut für Verdauung und Immunsystem sein sowie Allergien vorbeugen.

"Milch ab Hof", also die Abgabe von Rohmilch direkt im Landwirtschaftlichen Betrieb, unterliegt besonderen Regelungen.

Hat ein landwirtschaftliches Unternehmen mehrere Betriebsstätten, darf die Rohmilch nach dem Gesetz nur dort verkauft werden, wo sie auch gewonnen wird. max

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