EnBW-Aktienkauf - Rechtsberater bringt den Ex-Ministerpräsidenten in Erklärungsnot / SPD-Obmann spricht von Lügen

"Mappus nahm Risiko in Kauf"

Von 
Peter Reinhardt
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Im EnBW-Untersuchungsausschuss mussten gestern die Rechtsberater der Kanzlei Gleiss Lutz in den Zeugenstand. Im Bild der Anwalt Martin Schockenhoff.

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Stuttgart. Bereits nach dem dritten Tag der Zeugenvernehmungen im EnBW-Untersuchungsausschuss tun sich zahlreiche Widersprüche zwischen den Aussagen der Beteiligten an dem Milliardendeal auf. Der juristische Chefberater Martin Schockenhoff von der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz hat dem früheren CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus gestern in zentralen Punkten widersprochen. Für SPD-Obmann Andreas Stoch steht schon fest: "Mappus hat den Ausschuss angelogen."

Im Zentrum von Schockenhoffs Befragung steht die Frage, ob der Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land ohne Einschaltung des Landtags möglich war. Seine Kanzlei hätte vor den verfassungsrechtlichen Risiken einer Umgehung des Parlaments gewarnt, betont Schockenhoff. Mappus hatte dagegen im Ausschuss erklärt: "Wenn ich nur das geringste Risiko gesehen hätte, hätte ich die Verhandlungen mit dem französischen Energiekonzern EdF sofort abgebrochen."

Die Spezialisten von Gleiss Lutz hatten nach dem internen Schriftverkehr tatsächlich die Probleme angesprochen. Am Ende gaben sie aber grünes Licht für eine Notbewilligung des Milliardengeschäfts über eine Ausnahmeregelung in der Landesverfassung.

Diesen Weg habe das Land gewählt, sagt Schockenhoff. "Uns wurde mitgeteilt, dass Herr Mappus lieber die verfassungsrechtlichen Risiken in Kauf nehmen wollte, als die Gefahr, dass ein ausländischer Investor das Aktienpaket wegkauft", fasst der Anwalt ein Gespräch mit dem Investmentbanker Dirk Notheis vom 30. November 2010 zusammen. Der Deutschland-Chef von Morgan Stanley hatte in seiner Aussage dieses Telefonat vor dem Ausschuss gar nicht erwähnt.

Auch an den Beginn der Kaufverhandlungen erinnert sich Schockenhoff im Gegensatz zu Mappus und Notheis. Beide gaben an, bei einer Schaltkonferenz am 26. November sei der Preis offen geblieben. EdF-Chef Henri Prolio habe einen Aufschlag von 30 Prozent auf den Buchwert verlangt. Schockenhoff sagt zu den Preisverhandlungen: "Das ging sehr schnell." Mappus habe den Buchwert auf 39,90 Euro beziffert und Prolio in seiner Erwiderung 40 Euro verlangt. Danach sei festgestellt worden: "Wir haben einen Deal."

Russischer Investor

Die Dringlichkeit des Aktiendeals haben Notheis und später auch Mappus den Anwälten mehrfach mit dem Hinweis erklärt, die EnBW-Beteiligung sei auf dem Markt. Ausdrücklich sei auf die "Gefahr eines Einstiegs von Russen hingewiesen worden". Notheis hatte dagegen vor dem Ausschuss erklärt, es habe zu dem Zeitpunkt keine konkreten Investoren gegeben.

Für die Anwälte steht viel auf dem Spiel. Bekanntlich hat der Staatsgerichtshof die Umgehung des Parlaments als verfassungswidrig eingestuft. "Es gab da Auslegungsspielräume", sagt Schockenhoff dazu. In solchen Fällen könne niemand die Entscheidung eines Verfassungsgerichts vorhersagen. Der gewählte Weg sei "begründbar" gewesen.

Die CDU-Abgeordneten versuchen, die Qualität der Beratung in Zweifel zu ziehen. Der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller hält Schockenhoff vor, dass die Kanzlei an keiner Stelle ihre Bedenken schriftlich fixiert hat. Im Verlauf der mehrstündigen Befragung entstehen auch bei Schockenhoff Widersprüche. Zum Beispiel als er erklären soll, warum in einer nachträglichen, für die Öffentlichkeit bestimmten Darstellung zum Thema Parlamentsvorbehalt kein Wort über Risiken steht.

Müller und seine Kollegen erinnern sich noch gut an einen Auftritt Schockenhoffs in den Fraktionen von CDU und FDP, wo er am 6. Dezember 2010 das Geschäft erläutern sollte. Da habe es keinen Hinweis auf Risiken gegeben, kritisiert Müller. Das sei nicht seine Aufgabe gewesen, beharrt Schockenhoff. Er habe einen Vertrag mit dem Land gehabt.

Korrespondent Landespolitischer Korrespondent in Stuttgart

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