Freizeit - Mit den heißen Tagen häufen sich auch die Nachrichten über Unfälle – Gefahr lauert vor allem an Badeseen und in fließenden Gewässern

„Männer halten sich für unsinkbar“

Von 
Ulrike Bäuerlein
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Die Idylle kann trügen. Viele Menschen überschätzen sich beim Baden in Seen und in fließenden Gewässern. © dpa

Stuttgart. Erst am frühen Sonntagmorgen war es wieder soweit: Ein Rettungsschwimmer und ein Polizist sprangen in Heidelberg in den Neckar, um eine hilflos in der Strömung treibende Schwimmerin zu retten. Zuvor hatte bereits ein Passant den vergeblichen Versuch abgebrochen, der Frau zu helfen. Stark unterkühlt kam sie in die Klinik.

Mit den heißen Tagen häufen sich auch in Baden-Württemberg die Meldungen über Badeunfälle – allein in den vergangenen 14 Tagen mehrere mit tödlichem Ende: Ein 22-Jähriger ertrinkt im Baggersee Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe, im Ortenaukreis überlebt ein 59-Jähriger das Abkühlen im Badesee nicht, ein 22-Jähriger ertrinkt im Karlssee bei Heilbronn, als der im Uferbereich nach drei Metern über eine steile Abbruchkante im Wasser gerät. In Immenstaad am Bodensee kann eine 81-Jährige nur noch leblos aus dem an dieser Stelle nur hüfthohen Wasser gezogen werden. Und in Jettkofen (Landkreis Sigmaringen) wird ein 63-Jähriger mit gesundheitlichen Problemen gerade noch aus dem Baggersee gerettet.

Generation der Nichtschwimmer

387 Tote in Jahr 2020

Die Zahl der tödlichen Badeunfälle ist laut Statistik der DLRG im Corona-Jahr 2020 bundesweit so niedrig gewesen wie noch nie zu Beginn der Aufzeichnungen. Demnach verloren 2020 bei Badeunfällen mindestens 387 Menschen ihr Leben, davon waren 301 Männer (79,6 Prozent). Im Jahr 2019 waren es noch 417 Personen gewesen, davon waren 332 männlichen Geschlechts.

In Baden-Württemberg kamen im Jahr 2020 mindestens 39 Personen bei Badeunfällen ums Leben (2019: 37). Die bundesweit mit Abstand größte Zahl der tödlichen Unfälle im Wasser ereignet sich in Bayern, dort ließen 2020 mindestens 79 Personen ihr Leben (2019: 95). bub

Das größte Risiko lauert dabei weniger in Schwimmbädern, sondern vor allem in Bagger- und Badeseen und in fließenden Gewässern – mehr als zwei Drittel der Badetoten sterben in Flüssen und Seen. Die wenigsten der mehr als 600 Baggerseen in Baden-Württemberg sind von den Helfern der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) überwacht, ebenso wenig beliebte Badestellen im Neckar oder entlang des Rheins und seiner Seitenarme. „Die Fließgeschwindigkeit von Flüssen wird oft völlig unterschätzt“, sagt Ludwig Schulz, Geschäftsstellenleiter des DLRG-Landesverbandes Karlsruhe in Baden. „Der Rhein hat in der Mitte eine Strömung von drei Metern pro Sekunde. Da wird man mitgerissen. Es ist schon schwierig, bei der Hälfte der Strömung überhaupt auf den Beinen zu bleiben“, so Schulz. „Es gibt zwar Rheinschwimmbäder, bis hinunter nach Rheinfelden, in denen kaum Strömung ist. Aber auch am Hochrhein gibt es extrem gefährliche Stellen.“

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Helena Schwar
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Andere Gefahren lauern an Baggerseen. „Trübes Wasser, in dem Tiefe und Gefahrenstellen wie steile Abbruchkanten oder Schlingpflanzen, in denen man sich vergangen kann, nicht zu sehen sind“, sagt Schulz. Generell abraten will die DLRG nicht vom Baden an unbeaufsichtigten Stellen, sagte Eleonore Wagner, Geschäftsführerin beim Landesverband Württemberg. „Aber auf jeden Fall sollte man nie alleine dort sein.“ Auch Personen, die sich für passable Schwimmer halten, könnten leicht in lebensgefährliche Situationen geraten – weil sie einen Krampf bekommen oder die eigenen Kräfte und die Entfernung bis zum Ufer falsch einschätzen. Klassischer Fehler an heißen Tagen, sagt Wagner: „Auf das Abkühlen verzichten. Da können auch jüngere Menschen Kreislaufprobleme bekommen.“

Geht es um Kinder, warnt die DLRG Eltern und Aufsichtspersonen dringend davor, sie am Wasser auch an vermeintlich ungefährlichen Stellen aus den Augen zu lassen. „Schwimmflügel oder ein Schwimmring sind kein Schutz gegen Ertrinken. Und wenn ein Kind ein Seepferdchen gemacht hat, heißt es noch lange nicht, dass es schwimmen kann“, warnt Wagner. Für die DLRG gilt eine Person erst ab dem Schwimmabzeichen in Bronze – der frühere „Freischwimmer“ – als sicherer Schwimmer. Die Corona-Pandemie hat auch in der Schwimmausbildung der DLRG tiefe Spuren hinterlassen – Freibäder bleiben geschlossen, Schwimmkurse und Schwimmunterricht fielen aus. Von einer „Generation der Nichtschwimmer“ war bereits die Rede.

Bei tragischen Badeunfällen sind Kinder dennoch nicht an der Spitze der Unfallstatistik. Dort ragen vor allem zwei Gruppen heraus: „Männer ab 45 Jahren und junge Männer vom Ende der Teenagerzeit bis Mitte 20“, sagt Ludwigs Schulz vom DLRG Baden. In diese Gruppen fallen fast 80 Prozent der tödlichen Badeunfälle. Hauptgrund, weiß Schulz, sind Selbstüberschätzung – oft im Verbund mit Alkoholkonsum. „Männer halten sich öfter für unsinkbar wie die Titanic und überschätzen sich“, sagt Schulz. Bei jungen Männern komme oft noch ein „Mutprobengehabe“ dazu. Schulz: „Viel mehr Männer als Frauen schätzen ihre Fitness völlig falsch ein.“

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