Baden-Württemberg

Kommunen im Südwesten stellen sich offen gegen Obergrenze für Flächenverbrauch

Zum einen will Grün-Schwarz die Industrie anlocken und mehr Wohnungen bauen. Es soll aber auch der Flächenverbrauch eingedämmt werden. Kommunen geht deshalb eine pauschale Obergrenze zu weit

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dpa
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Baden-Württemberg. Grün-Schwarz hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2035 soll es gelingen, dass keine zusätzlichen Flächen für Straßen oder Häuser mehr in Anspruch genommen werden. Ein weiter Weg. Denn 2022 verschwanden in Baden-Württemberg umgerechnet noch mehr als sechs Fußballplätze pro Tag unter Beton, Asphalt und Grünfläche. Während es Naturschützern und Landwirten zu lange dauert und sie das Land zum Flächensparen zwingen wollen, stellen sich Kommunen offen gegen eine pauschale Begrenzung beim Flächenverbrauch.

Der baden-württembergische Gemeindetag verweist in einem Positionspapier auf Herausforderungen wie den Ausbau der erneuerbaren Energien, den Bau von Hunderttausenden Wohnungen, die Klimakrise und die Verkehrswende. "Wer diesen Flächenbedarf verschweigt, wird der Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen der Menschen in unserem Land nicht gerecht", heißt es weiter. Städte und Gemeinden bekennen sich zwar zum sparsamen Umgang, wie Gemeindetagspräsident Steffen Jäger am Donnerstag sagte. Die Fakten müssten aber nüchtern und ehrlich betrachtet werden. Zuerst hatte der SWR über das Papier berichtet.

Kommunen bräuchten mehr Flexibilität, um passgenaue und zugleich flächenschonende Lösungen zu entwickeln, heißt es im Positionspapier mit dem Titel "Zukunftsgestaltung braucht Fläche und Werkzeuge". Es müsse zwar darum gehen, "bei der Erfüllung der gesellschaftlich geeinten Ziele das beanspruchte Maß an Fläche möglichst gering zu halten". Aber: "Politik wird am Ergebnis gemessen." Es reiche nicht aus, ambitionierte Ziele gesetzlich zu verankern. "Es muss vielmehr auch bereits bei der Rechtssetzung geprüft werden, ob diese Ziele erreichbar sind, ob es dafür den erforderlichen rechtlichen Rahmen gibt und die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen nachhaltig gesichert sind."

Vorgaben wie eine Obergrenze müssten zudem in Einklang gebracht werden mit der Pflicht zur Versorgung der Menschen mit angemessenem und preiswertem Wohnraum sowie mit dem Gebot der gleichwertigen Lebensverhältnisse in Stadt und Land. "Diese Zielkonflikte müssen von der Landespolitik benannt und aufgelöst werden", heißt es im Papier. "Und klar ist auch: Wer eine pauschale Begrenzung der Flächeninanspruchnahme oder gar perspektivisch eine Netto-Null will, der muss auch sagen, was dann eben in Baden-Württemberg nicht mehr möglich sein wird."

Die Kommunen wehren sich damit auch gegen einen Volksantrag zum Flächenverbrauch, mit dem ein Bündnis aus Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden das Land unter Druck setzen will. Es soll demnach einen Netto-Null-Verbrauch bis 2035 gesetzlich vorschreiben. Entscheidend seien verbindliche gesetzliche Obergrenzen von zunächst 2,5 Hektar pro Tag. Mehrere Zehntausend Menschen haben den Volksantrag "Ländle leben lassen" nach Angaben des Landesnaturschutzverbands bereits unterschrieben.

Nach den jüngsten Zahlen ist die grün-schwarze Landesregierung auf dem Weg zu einem geringeren Flächenverbrauch im Südwesten zwar einen kleinen Schritt vorangekommen. Der Anteil bebauter Flächen ist erstmals seit fünf Jahren wieder zurückgegangen. Im Jahr 2022 wurden nach Angaben des Statistischen Landesamts 1673 Hektar zusätzlich für neue Parkplätze, Industriegebiete, Neubauten oder Sportplätze, Grünanlagen oder Straßen genutzt, das entspricht einer Fläche von etwa 2300 Fußballfeldern. Von 2020 auf 2021 lag die Zunahme noch bei 2278 Hektar.

Grüne und CDU wollen aber bis 2035 die Netto-Null beim Verbrauch von neuen Flächen erreichen. Für eine Übergangszeit soll ein maximaler Verbrauch von 2,5 Hektar pro Tag ausgegeben werden.

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