Heidelberg. An diesem Mittwoch geht ein Kapitel zu Ende, das die Stadt Heidelberg viele Monate in Atem gehalten hat und das bis zum Schluss nicht nur von unmittelbaren Nachbarn kritisch beäugt worden ist. Aber das Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg hat Wort gehalten: Zum Ende Juni beendet es, wie vertraglich vereinbart, den Maßregelvollzug im ehemaligen Gefängnis „Fauler Pelz“ an Rande der Heidelberger Altstadt. Die letzten vier Patienten ziehen am Mittwoch ins Zentrum für Psychiatrie nach Calw um.
Zu Spitzenzeiten seien in der Einrichtung mehr als 60 Patienten auf drei therapeutischen und einer Krisen- und Abbruchstation untergebracht gewesen. Insgesamt wurden während der knapp zwei Jahre laut Ministerium 128 Patienten im „Faulen Pelz“ behandelt. Im Maßregelvollzug werden suchtkranke und psychisch kranke Straftäter untergebracht und therapiert.
Gebäude für elf Millionen Euro saniert
Seit August 2023 hatte das Land das ehemalige Gefängnis in der Heidelberger Innenstadt als Entziehungsanstalt für drogenabhängige Straftäter genutzt. Dafür war das Gebäude für rund elf Millionen Euro saniert worden. Hintergrund für die zeitlich begrenzte Umnutzung war die damalige Überbelegung der sieben Zentren für Psychiatrie im Land. Die Stadt Heidelberg wollte den Komplex allerdings für die Universität nutzen.
Die Einrichtung war nicht nur vor dem Einzug der ersten suchtkranken Straftäter im August 2023 in den sogenannten Maßregelvollzug von Schlagzeilen und dem juristischen Streit mit der Stadt Heidelberg begleitet. Der Drogentod eines jungen Mannes und der Brandbrief von Anwälten zu angeblich miserablen Zuständen in der Entziehungsanstalt im „Faulen Pelz“ sorgten für Aufruhr im vergangenen Jahr.
„Unwürdige und skandalöse“ Zustände beklagt
Am 14. Februar vergangenen Jahres starb ein 27-jähriger Insasse „infolge einer Intoxikation mit einem synthetischen Cannabinoid“, wie die Staatsanwaltschaft Heidelberg mitteilte. Woher die Drogen stammten, konnten die Ermittler letztlich nicht klären. Ende Februar 2024 schrieben zudem 21 Strafverteidiger in einem Brief von „unwürdigen und skandalösen“ Zuständen im „Faulen Pelz“. Sogar der Sozialausschuss des Landtages beschäftigte sich mit dem Todesfall und den Verhältnissen in der Einrichtung. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) wies die Vorwürfe zurück. Er könne aus den ihm vorliegenden Informationen keine Versäumnisse oder ein Fehlverhalten ableiten, sagte der Minister im Ausschuss.
Die Anwälte hatten unter anderem einen erheblichen Mangel an Therapieangeboten und Pflegekräften kritisiert. Aggressive Sicherheitskräfte würden selbst Drogen anbieten, so die Vorhaltungen der Strafverteidiger. Diesen Vorwürfen sei man mehrfach nachgegangen, habe den Mitarbeitern aber nichts nachweisen können, sagte der Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie in Calw, Matthias Wagner, der auch für den „Faulen Pelz“ zuständig war.
Heidelberg als erste Station für die Suchtkranken
Es war von Anfang an geplant, dass die Patienten in Heidelberg die erste Station ihrer Behandlung absolvieren sollten. Ein Ausgang in die Stadt, wie von vielen Heidelbergern zunächst befürchtet, war nicht vorgesehen und hat auch nicht stattgefunden. Vielmehr standen hier Eingangsuntersuchungen und Entscheidungen über weitere individuelle Therapiepläne auf dem Programm. Da von vornherein klar gewesen sei, dass das Gebäude nur zur Zwischennutzung zur Verfügung stand, habe man die Patienten nach Abschluss ihrer stationären Behandlung in Heidelberg in heimatnahe Einrichtungen verlegt.
Der vorübergehende Maßregelvollzug im Faulen Pelz war notwendig geworden, weil überall im Land Therapieplätze fehlen, die Anstalten überbelegt sind. Regelmäßig hatten in den vergangenen Jahren suchtkranke Straftäter aus der sogenannten Organisationshaft entlassen werden müssen, weil ihnen zeitnah kein Therapieplatz angeboten werden konnte. Mittlerweile hat das Land nachgebessert, weitere Therapieplätze für den Maßregelvollzug sind unter anderem in Calw und Schwäbisch Hall entstanden. Die Patienten wurden aus Heidelberg überwiegend nach Calw verlegt. Seit Anfang des Jahres stehen dort in einem Neubau 50 neue Therapieplätze zur Verfügung. Das Ministerium bewertet die Zwischennutzung in Heidelberg positiv: „Ohne die interimsweise Nutzung des ,Faulen Pelzes‘ hätte es sehr wahrscheinlich zu Freilassungen gefährlicher unterbringungsbedürftiger Straftäter aus der Organisationshaft kommen müssen, sodass Abhilfe dringend erforderlich war.“
Künftig soll es einen Neubau mit Bibliothek geben
Die beiden Bestandsgebäude des Ex-Gefängnisses soll laut Finanzministerium von 2027 an für die Universität Heidelberg umgebaut und saniert werden. In einem zweiten Bauabschnitt soll ein weiteres Gebäude östlich der Bestandsgebäude entstehen. Unterkommen wird dort unter anderem das Institut für Europäische Kunstgeschichte inklusive Bibliothek. Ins Ex-Gefängnis ziehen Teile des Historischen Seminars sowie des Käthe Hamburger Kollegs für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien ein.
Die Übergabe an die Universität soll 2029 erfolgen. Der Neubau wird nicht vor 2035 fertig sein. mit dpa
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