Steuern - In Stuttgart droht Konflikt zwischen Parteispitze und Regierungschef Kretschmann / Streit um Kompromisslinie

Grüne wollen Reichen ans Geld

Von 
Peter Reinhardt
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Die "Superreichen" wecken die Begehrlichkeiten unter den Steuerpolitikern der Grünen. Regierungschef Kretschmann lehnt bisher eine Vermögenssteuer aber ab.

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Stuttgart. Seit Monaten streiten die Grünen auf Bundesebene über ein Steuerkonzept für den Bundestagswahlkampf. Die Berliner Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter fordern jetzt als Kompromissvorschlag eine "ergiebige Vermögenssteuer für Superreiche" und hoffen, so den Konflikt befrieden zu können. Im Südwesten unterstützt Parteichef Oliver Hildenbrand diesen Vorschlag und geht damit gegen Regierungschef Winfried Kretschmann in Stellung. Der Grünen-Regierungschef lehnt bisher eine Vermögenssteuer "strikt" ab.

Der Streit geht zurück auf die Bundestagswahl 2013. Die Grünen hatten damals einen Steuerwahlkampf angezettelt und wurden von den Wählern mit 8,4 Prozent abgestraft. Ein knappes Jahr vor der nächsten Wahl soll Mitte November ein Bundesparteitag den offenen Konflikt befrieden. Weil sich die Finanzexperten nicht einigen konnten, stehen im Leitantrag zwei Vari-anten: Die eine sieht die "Wiederbelebung der Vermögenssteuer" vor, die andere eine "tatsächlich progressive Erbschaftssteuerbelastung".

Kretschmann lehnt bisher beides ab. Er lässt sich für den unlängst zwischen Bundesregierung und Ländern ausgehandelten Kompromiss zur Erbschaftssteuer feiern, der Betriebsvermögen verschont und deshalb den meisten Grünen als ungerecht gilt. Seine Ablehnung der Vermögenssteuer erklärt Kretschmann mit dem Hinweis, dass "die meisten Menschen, die Vermögen haben, dies in Form eines Betriebs besitzen". Eine Vermögenssteuer gehe auf Kosten der Familienbetriebe.

Vorschlag aus Berlin

Göring-Eckardt und Hofreiter haben einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet. Sie plädieren dafür, das vorliegende Konzept zur Erbschaftssteuer hinzunehmen. Das sollte nur überarbeitet werden, wenn das Verfassungsgericht es kassiert. Stattdessen wollen sie "der starken Vermögensungleichheit und damit einer sozialen Spaltung mit einer verfassungsfesten, ergiebigen und umsetzbaren Vermögenssteuer für Superreiche entgegenwirken". Da lege man "besonderen Wert auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Innovationskraft von Unternehmen".

Im Südwesten unterstützt der zum linken Flügel gehörende Vorstandssprecher Hildenbrand diese Linie. Seine Begründung: "Der Vorschlag akzeptiert faktisch die wirtschaftsfreundliche Einigung bei der Erbschaftssteuer und befürwortet im Gegenzug eine gemeinwohlfreundliche Einführung einer Vermögenssteuer." Seiner Ansicht nach "sollte das ganz im Sinne von Winfried Kretschmann sein, der die unternehmerfreundliche Einigung bei der Erbschaftssteuer schließlich maßgeblich mitverhandelt hat".

Hildenbrand betont: "Eine gerechte Besteuerung von sehr hohen Vermögen ist kein Selbstzweck." Vielmehr würden dadurch Investitionen in Gerechtigkeit, Infrastruktur und Familien möglich. "Politik muss den Mut haben, die Ungleichheit verschärfenden Vermögensverhältnisse infrage zu stellen", findet der Chef der Südwest-Grünen.

In der Regierungszentrale gibt es gestern keine Stellungnahme zu dem aufziehenden Konflikt mit der Parteispitze. Man warte den Schluss der Antragsfrist an diesem Freitag um Mitternacht ab, ehe man die eigene Position öffentlich festlege. "Da kann es noch Überraschungen geben", erklärt ein Sprecher.

Somit bleibt offen, ob sich Kretschmann auf die Seite der Realpolitiker schlagen wird, die bereits eine Gegenposition zum Kompromiss von Göring-Eckardt und Hofreiter formuliert haben. Ihre Wortführer Mathias Wagner, der Landtagsfraktionschef der Grünen in Hessen, und die Hamburger Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk plädieren dafür, sich vor der Bundestagswahl gar nicht festzulegen. Für sie "kann" die Vermögenssteuer oder eine verschärfte Erbschaftssteuer ein "mögliches Instrument" sein, um die vermögensbezogenen Steuern zu erhöhen.

Kretschmann droht mit seinem bisher harten Nein in eine Außenseiterposition zu geraten. Ein Spitzengrüner meint: "Da hat er ein richtiges Dilemma."

Steueraufschlag für Spitzenverdiener

  • Die Grünen wollen auch Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten. "Im Sinne einer höheren Reichenbesteuerung" soll der Spitzensteuersatz erhöht werden - allerdings erst bei Einkommen von mehr als 100 000 Euro für Singles. Daraus soll eine Erhöhung des Grundfreibetrags für Geringverdiener finanziert werden.
  • Einhalt wollen die Grünen auch den Millionenverdiensten von Managern gebieten. Sie wollen die steuerliche Abzugsfähigkeit für Gehälter bei 500 000 Euro jährlich deckeln und für Abfindungen bei einer Million. "So wird die Subventionierung von sehr hohen Vergütungen, Boni und Abfindungen durch den Steuerzahler verhindert", heißt es in dem Papier.
  • Die Abgeltungssteuer wollen die Grünen abschaffen. Kapitaleinkünfte würden damit wieder nach den gleichen Sätzen wie die Einkommen besteuert. pre

Korrespondent Landespolitischer Korrespondent in Stuttgart

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