Mannheim. Herr Theurer, Ihre Partei hat fünf Landtagswahlen versemmelt. Ist die FDP ein Auslaufmodell?
Michael Theurer: Die Ergebnisse waren nicht prickelnd, aber ich bin optimistisch, dass es wieder aufwärts gehen wird. Nach der Fastenzeit kommt ja bekanntlich die Auferstehung. Die österliche Botschaft nehmen wir da im übertragenen Sinn sehr ernst.
Das hört sich für mich eher nach einer Durchhalteparole an.
Theurer: Im Gegenteil, wir sind ja in Baden-Württemberg das Stammland der Liberalen und haben 2021 immerhin 10,5 Prozent bei der Landtagswahl geholt . . .
… und sitzen dennoch im Landtag in der Opposition …
Theurer: … das war ein herausragendes Ergebnis, und bei der Bundestagswahl haben wir mit 15,3 Prozent das mit Abstand beste Ergebnis aller Landesverbände erzielt. Wir sind Stabilitätsanker der Bundes-FDP.
Michael Theurer
- Michael Theurer wurden am 12. Januar 1967 in Tübingen geboren.
- Der Diplomvolkswirt ist Landesvorsitzender der baden-württembergischen FDP.
- Er ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und außerdem der Bundesbeauftragte für den Schienenverkehr.
Das ist doch alles Vergangenheit, seit der Bundestagswahl hat die FDP jede Abstimmung in den Landtagen verloren.
Theurer: In Berlin haben wir zwar den Einzug ins Abgeordnetenhaus mit 4,6 Prozent verpasst, in den Umfragen lagen wir aber zwei Wochen zuvor noch bei sechs Prozent. Die Schlussmobilisierung hat also nicht funktioniert.
Weil die CDU der FDP das Wasser abgegraben hat.
Theurer: So kann man das formulieren. Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass die CDU unsere Anträge, etwa zur individuellen Mobilität, zum Teil wörtlich kopiert und ins Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht hat. Darauf muss die FDP eine klare Antwort finden. Wir müssen uns nicht nur von Rot-Grün abgrenzen, sondern auch von der CDU.
Das heißt, die CDU ist für sie kein Partner mehr?
Theurer: Jedenfalls nicht mehr der einzige. Fakt ist: Die CDU hat in ihren Wahlkämpfen eine Vernichtungskampagne gegen die FDP geführt. Das ist jetzt natürlich eine drastische Wortwahl . . .
… Sie müssen jetzt nichts zurücknehmen …
Theurer: … offensichtlich setzt die Union einseitig auf grün-schwarze und schwarz-grüne Mehrheiten. Selbst dort, wo eine schwarz-gelbe Koalition möglich ist, wie in Schleswig-Holstein, entscheidet sich die CDU trotzdem für die Grünen.
Das heißt, dass die FDP nur noch die Ampel als Machtoption hat, wenn sie mitregieren will.
Theurer: Die Alternative ist eine offensive Opposition, wie wir sie in Baden-Württemberg gegen eine grün-schwarze Landesregierung führen, die ja vor Bräsigkeit nur so strotzt.
Aber Sie wollen schon lieber in einer Ampel-Koalition regieren?
Theurer: Natürlich. Wir wollen gestalten. Die FDP wird in Deutschland gebraucht. Wir stehen für marktwirtschaftliche Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit, wie wir das beispielsweise mit unserem Einsatz für die Rücknahme der massiven Corona-Lockdown-Maßnahmen erfolgreich bewiesen haben. Die FDP hat in der Bundesregierung dafür gesorgt, dass die Schuldenbremse eingehalten wird. Wir haben die Bürgerinnen und Bürger massiv entlastet, die Einkommensteuer gesenkt und den Arbeitnehmerpauschbetrag und Grund- und Kinderfreibetrag erhöht.

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Genug der Werbung. Dass die FDP die Mehrwertsteuer erhöhen will, haben Sie in Ihrem Lobgesang auf die Liberalen lieber nicht erwähnt.
Theurer: Weil das nicht stimmt. Im Koalitionsvertrag steht klar, dass es keine Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode geben wird.
Warum kursiert dann in den Medien ein FDP-Papier, in dem genau davon die Rede ist.
Theurer: Es geht dabei um den reduzierten Mehrwertsteuersatz. Seit Jahren wird von Fachleuten die Zuordnung als unsystematisch kritisiert, beispielsweise ist Tiernahrung im reduzierten Satz, Arzneimittel oder Babynahrung sind es nicht. Das Papier war aber lediglich ein Diskussionsanstoß, kein Beschluss.
Sie schließen also eine höhere Mehrwertsteuer definitiv aus?
Theurer: Ja, in dieser Legislaturperiode ist das kein Thema.
Sie haben schon immer für die Ampel geschwärmt. Können Sie es da nachvollziehen, dass Ihre Parteifreunde das Regierungsbündnis immer wieder madig machen?
Theurer: Also schwärmen wäre jetzt das falsche Wort. Ich war dafür früher offen als andere. Es handelt sich hier um eine Vernunftskoalition, weil Deutschland eine stabile Regierung braucht.
Noch mal: Warum kritisieren Ihre eigenen Leute ständig die Ampel-Koalition und werben nicht wie Sie für das Bündnis?
Theurer: Die Botschaft von mir ist da klar: Wir müssen wieder zur Geschlossenheit und zum Spirit der Fortschrittskoalition zurückkehren. Das vermisse ich, deshalb empfehle ich allen Beteiligten . . .
… also nicht nur den Liberalen ..?
Theurer: … alle Koalitionspartner sind aufgerufen, die Differenzen, die es bei so unterschiedlichen Parteien wie SPD, Grünen und FDP gibt, intern zu lösen.
Also keine öffentlichen Brieffeindschaften, wie sie Robert Habeck und Christian Lindner vergangene Woche gepflegt haben?
Theurer: Die Differenzen müssen intern gelöst werden. Noch keine Bundesregierung stand vor einer solchen Herausforderung wie unsere.
Stichwort unterschiedliche Positionen: Ist es wirklich fortschrittlich, wenn die FDP die Koalitionspartner ständig ärgert und längere Laufzeiten für die drei Atomkraftwerke in Deutschland fordert?
Theurer: Es muss verhindert werden, dass wir eine Stromversorgungslücke bekommen. Eine solche Lücke lässt sich weder mit Geld oder Parteitagsbeschlüssen schließen. Wenn man CO2-intensive Kohlekraftwerke möglichst wenig nutzen will, ist es besser und geboten, die relativ CO2-armen Atomkraftwerke für eine gewisse Zeit länger laufen zu lassen.
Ist am 15. April wirklich Schluss?
Theurer: Der Ball liegt jetzt beim zuständigen Energie- und Klimaschutzminister Robert Habeck, der sicherstellen muss, dass zu jedem Zeitpunkt genügend Strom für die Haushalte und die Industrie vorhanden ist. Das muss er jetzt in den Stresstests nachweisen, die die FDP ja verlangt hat.
Und was wollen Sie?
Theurer: Als Landesvorsitzender bin ich stolz, dass die Südwest-FDP auf dem Parteitag am 5. Januar einen pragmatischen Beschluss gefasst hat. Neben dem beschleunigten Zubau regenerativer Energien, dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und von Speichertechnologien enthält er auch die Forderung nach längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke. Schließlich ergab der jüngste Stresstest, dass nur so eine Stromlücke verhindert werden kann.
Dieses Problem wollen Sie aber lieber geräuschlos intern lösen, statt öffentlich die anderen Koalitionspartner unter Druck zu setzen?
Theurer: Dieser Eindruck ist richtig.
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