Luftreinhaltung - Weniger Autos in der Corona-Krise sorgen für sinkende Belastung / Grün-Schwarz setzt auf Prognose für Gesamtjahr

Fahrverbote könnten noch kippen

Von 
Peter Reinhardt
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Wenig los – ein nicht seltenes Bild zu Corona-Zeiten auf Stuttgarter Straßen. © dpa

Stuttgart/Mannheim. In Stuttgart droht eigentlich die Ausweitung des Fahrverbots für Diesel mit Euronorm 5 auf weite Teile des Stadtgebiets. Nun zeigt eine vorläufige Auswertung für das erste Quartal des Jahres, dass durch eine günstige Witterung und der durch die Corona-Krise verminderte Autoverkehr die Luftbelastung an den Problem-Messstellen überraschend stark gesunken ist. Nach drei Monaten scheint der Grenzwert in Reichweite. Selbst Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) geht „davon aus, dass sich in Stuttgart die Fahrverbote wegen Überschreitung der Stickoxidgrenzwerte erledigt haben“.

Politisch hat Untersteller sicher den Nerv getroffen. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verweist auf den Rückgang des Autoverkehrs, seit die Wirtschaft stillsteht. Der Koalitionspartner CDU stand schon vor der Krise auf dem Standpunkt, dass weitere Fahrverbote überflüssig sind.

Grenzwerte in Reichweite

Juristisch ist die Lage allerdings komplizierter. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Land Baden-Württemberg verdonnert, mit dem neuen Stuttgarter Luftreinhalteplan weitere Fahrverbote ab 1. Juli einzuführen, falls die Grenzwerte nicht eingehalten werden. „Das Land ist gerichtlich verpflichtet, zonale Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge der Euronorm 5 aufzunehmen“, erläutert ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Alles hängt von der Prognose ab, die Gutachter gerade erstellen.

Die legendäre Messstelle „Am Neckartor“, zeitweise Deutschlands schmutzigste Kreuzung, weist für Januar bis März einen Mittelwert von 40 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter Luft auf. Das entspricht exakt dem an dieser Stelle bisher weit verfehlten Grenzwert. 2019 lag der Jahresmittelwert noch bei 53 Mikrogramm. Auch in anderen Städten mit Grenzwertüberschreitungen zeichnen sich weitere Verbesserungen ab. In Mannheim liegt die Messstelle Friedrichsring jetzt bei 37 Mikrogramm, nach 42 im vergangenen Jahr. Gerissen wird die Grenze mit 42 Mikrogramm noch immer an der Weinsberger Straße in Heilbronn. Verbessert hat sich die Situation auch in Reutlingen.

Die Experten der Landesanstalt für Umwelt warnen aber vor Schnellschüssen. Entscheidend sei der Mittelwert, der sich am Ende des Jahres ergibt. „Eine Abschätzung des realen Effekts der Corona-Verordnung auf die Jahresmittelwerte kann derzeit noch nicht vorgenommen werden, da keine vergleichbare Situation aus der Vergangenheit zur Bewertung herangezogen werden kann“, betont eine Sprecherin. Man müsse da auch bedenken, dass die Wetterlage „immer einen wesentlichen Effekt auf die Entstehung und Verbreitung der Luftschadstoffe hat“.

Die vom Stuttgarter Regierungspräsidium eingeschalteten Gutachter können sich von der Bewertung der Sondersituation nicht drücken. Schwer zu erklären sind auch die steigenden Belastungswerte an einer Messstelle in Stuttgart.

Eine gefestigte Meinung trotz aller Unsicherheiten hat Jürgen Resch. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) pocht auf der Einführung von Fahrverboten für Euro-5-Diesel im ganzen Stuttgarter Stadtgebiet. Etwas anderes sei angesichts der „viel zu hohen Belastung der Luft“ nicht vertretbar. In Mainz hat die DUH einem dreimonatigen Aufschub zugestimmt.

Dagegen ist Thomas Dörflinger, der Verkehrsexperte der CDU-Landtagsfraktion, „sicher, dass weitere Fahrverbote für Euro-5-Diesel schlicht unnötig sein werden“. Auch ohne Corona-Krise habe es die Koalition mit ihren Maßnahmen geschafft, dass die Luft viel schneller sauberer wird als andernorts. Zudem sei das eigene Auto die einzige Möglichkeit für viele, die nicht im Homeoffice arbeiten, ohne Infektionsrisiko zur Arbeit zu kommen.

Keine Parkgebühren

Kleinere Städte in Baden-Württemberg verzichten wegen der Corona-Krise auf Parkgebühren.

Das soll ein Anreiz für die Menschen sein, weniger mit Bus und Bahn zu fahren, um so das Ansteckungsrisiko zu verringern.

Größere Städte wie Karlsruhe und Stuttgart zögern bei dem Thema aber noch.

Waiblingen im Rems-Murr-Kreis und die Stadt Friedrichshafen am Bodensee verzichten auf Parkgebühren. In Stuttgart ist eine Anfrage der CDU-Fraktion im Gemeinderat eingebracht worden, in der ein vorübergehender Verzicht auf Parkgebühren thematisiert wird. lsw

Korrespondent Landespolitischer Korrespondent in Stuttgart

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