OB-Wahl

Buhlen um grüne Stimmen

Vor der Stichwahl setzen sowohl CDU-Kandidat Uwe Becker als auch SPD-Bewerber Mike Josef auf die Anhänger der Öko-Partei

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Gerhard Kneier
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05.03.2023, Hessen, Frankfurt/Main: Uwe Becker (CDU, r) betritt nach der Oberbürgermeisterwahl zusammen mit seiner Frau Kerstin (M) das Frankfurter Rathaus Römer. Becker geht in die Stichwahl am 26. März 2023. Rund 509 000 Frankfurterinnen und Frankfurter waren zur Wahl eines neuen Stadtoberhaupts aufgerufen. Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © dpa

Frankfurt. Von Gerhard Kneier

Frankfurt. Nach der Wahl ist vor der Wahl: In Hessens größter Stadt Frankfurt am Main rüsten sich CDU und SPD für die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters in knapp drei Wochen. CDU-Kandidat Uwe Becker, der im ersten Wahlgang am Sonntag mit 34,5 Prozent vorne lag, will jetzt versuchen, möglichst viele Stimmen der Grünen zu gewinnen, deren Kandidatin mit Platz drei knapp ausgeschieden ist. Sein SPD-Kontrahent Mike Josef, der am Sonntag auf 24,0 Prozent kam, setzt aber seinerseits auf eine rot-grüne Mehrheit in der Stichwahl, denn beide Parteien regieren ja zusammen mit FDP und Volt in einer gemeinsamen Rathaus-Koalition.

Der 53-jährige CDU-Mann Becker sieht sich schon wegen seines Zehn-Prozentpunkte-Vorsprungs im Vorteil und propagiert für die verbleibenden drei Wahlkampfwochen einen politischen Neustart, der nur mit einem neuen Oberbürgermeister von außerhalb der Koalition im Römer möglich sei. Der 40 Jahre alte Sozialdemokrat Josef kann dagegen darauf verweisen, dass er und die mit 21,3 Prozent gescheiterte Grünen-Kandidatin Manuela Rottmann mit zusammen gut 45 Prozent wiederum auf elf Punkte mehr kamen als Becker. Die Grünen kündigten am Montag an, sie wollten in den nächsten Tagen darüber beraten, ob sie für den zweiten Wahlgang eine Empfehlung abgeben. Rottmann selbst äußerte sich aber zurückhaltend und sagte, sie habe für die Stichwahl keinen Favoriten.

Kampf gegen Autofeindlichkeit

Becker hatte dem Frankfurter Magistrat lange als Stadtkämmerer und zuletzt auch (Zweiter) Bürgermeister angehört, bis er 2021 zusammen mit den anderen CDU-Stadträten von der Mitte-Links-Koalition abgewählt wurde. Derzeit ist er Staatssekretär im hessischen Bundesrats- und Europaministerium und zudem auch Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung. Sein Amt als CDU-Vorsitzender in Frankfurt hat er wegen seiner Kandidatur als Stadtoberhaupt aufgegeben. Noch in derselben Sitzung verteidigte er die neugewählte Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg von den Grünen gegen heftige Angriffe der AfD wegen ihrer Herkunft als Flüchtling aus dem Iran.

Im Oberbürgermeister-Wahlkampf ging Becker dann in den Angriffsmodus vor allem gegen SPD und Grüne. Sein Kampf gegen Autofeindlichkeit und der Vorschlag eines Autotunnels unter dem Mainkai stießen gerade bei den Grünen auf Unmut. Indirekt drohte der CDU-Politiker damit, im Fall seiner Wahl vom Recht des Oberbürgermeisters auf Dezernatsverteilung Gebrauch zu machen und den Grünen die Zuständigkeit für den Verkehr zu entziehen. Das nahm er auf Anfrage auch am Montag nicht zurück, relativierte aber, dies sei nicht sein Ziel, er wisse jedoch um die Rechte des Stadtoberhaupts. Ansonsten warb Becker hörbar um Vertrauen der Grün-Wähler, betonte sein Eintreten für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Auf den Plakaten für die zweite Wahlkampfrunde kommt das Thema Verkehr nicht mehr vor, Becker setzt stattdessen auf „einen echten Neuanfang“ und bezeichnet sich als „der Bessere für Sicherheit“ und „der Bessere für Wohnungen“.

Früh von Feldmann distanziert

SPD-Kandidat Josef, der mit seiner christlichen Familie einst als vierjähriges Flüchtlingskind aus Syrien nach Deutschland kam, sieht es nach dem Debakel um Ex-OB Peter Feldmann schon als „Riesenerfolg“ an, sein erstes Ziel mit dem Einzug in die Stichwahl erreicht zu haben. Feldmann ist zwar inzwischen aus der SPD ausgetreten, doch wurde befürchtet, dass seine Abwahl und Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen des Verhaltens in der Affäre um die Arbeiterwohlfahrt den Sozialdemokraten noch schaden könnte. Josef hatte sich als Frankfurter SPD-Chef früh von dem OB losgesagt und ihn zum Rücktritt aufgefordert. Der städtische Planungsdezernent hat sein Amt als SPD-Vorsitzender ebenfalls mit Blick auf die OB-Wahl niedergelegt.

Er wolle in der Stichwahl zum „Oberbürgermeister aller Frankfurter“ gewählt werden, gibt Josef als Ziel aus. Inhaltlich setzt er darauf, dass die Stadt und ihre Wohnungen bezahlbar bleiben müssten, aber auch auf Weltoffenheit. Und sein für die SPD eher untypisches Wahlplakat warb explizit für eine starke Wirtschaft als Grundlage für soziale Sicherheit. Einen willkommenen Fürsprecher hat Josef am Montag auch noch gefunden: Der als „Bahnbabo“ bekannte Straßenbahnfahrer Peter Wirth gab eine recht deutliche Wahlempfehlung für den SPD-Kandidaten ab, mit dem er in Sachen Soziales und Verkehr mehr Schnittmengen habe als mit seinem CDU-Kontrahenten. Der vor allem bei Jugendlichen beliebte „Bahnbabo“ hatte als unabhängiger OB-Kandidat am Sonntag mit 5,1 Prozent einen überraschenden vierten Platz noch vor den Bewerbern von Linken, FDP und AfD errungen.

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