Mainz. Die Beruhigungspillen der rheinland-pfälzischen Landesregierung sind prompt verabreicht worden. So trat Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) den Befürchtungen der Kommunen entgegen, dass Expertenvorschläge für eine umfassende Gebietsreform genauso kommen würden. „Das ist die Auffassung der Gutachter, das ist nicht die Auffassung der Landesregierung“, sagte Dreyer. Der Landesregierung gehe es vor allem um „bürgernahe Aufgabenwahrnehmung und zukunftsfeste Verwaltungsstrukturen“. Heute soll in Mainz das rund 1000 Seiten umfassende Gutachten einer Expertenkommission offiziell vorgestellt werden, von dem bisher lediglich eine 61-seitige Zusammenfassung vorliegt.
Auch der zuständige Innenminister Roger Lewentz (SPD) betonte, dass es sich bei den aufgezeigten Szenarien um Grundlagen für eine politische Diskussion handele. Ziele blieben eine bürgerfreundliche Verwaltung und die Aufrechterhaltung des Ehrenamts in Kommunen. Mit Blick auf eine mögliche Fusion von Frankenthal mit Ludwigshafen stellte er klar: „Die Gutachter können sich das vorstellen, die Landesregierung kann sich das nicht vorstellen. Höchstens, wenn es freiwillig wäre – das wird aus Frankenthal nicht kommen.“ Deshalb sei dieser Vorschlag keiner, der weiterverfolgt werde. Grundsätzlich allerdings forderte Lewentz Offenheit bei den Gesprächen zwischen allen Beteiligten. Nachdem Ende vergangener Woche erste Details aus dem Gutachten durchgesickert waren, hatten sich Städte- und Landkreistag vehement gegen die Pläne gewandt (wir berichteten).
Neun Module und vier Pakete
An den Beginn ihrer Überlegungen haben die Gutachter mit den Professoren Martin Junkernheinrich (Kaiserslautern) und Jan Ziekow (Speyer) an der Spitze neun „politische Handlungsoptionen“, Module genannt, gestellt. Dazu zählen etwa die Kommunalisierung von Aufgaben, eine Reform der Landesverwaltung, eine Vergrößerung der Landkreise in drei Varianten, Sicherung der kreisfreien Städte ab einer Größenordnung von 100 000 Einwohnern, die Verbesserung der Stadt-Umland-Zusammenarbeit und die Sicherung des ehrenamtlichen Engagements. Die Auswahl möglicher Reformmodule führe dazu, schreiben die Gutachter, „dass die Reform in unterschiedlichen Intensitäten durchgeführt werden kann“.
Aus diesen Modulen haben die Wissenschaftler vier „Reformpakete“ geschnürt – die eigentliche Gebietsreform. Diese sieht die Fusion von Kreisen und die Aufnahme mittelgroßer kreisfreier Städte in Kreise vor. Demnach könnte es im Extremfall statt bisher zwölf künftig nur noch fünf kreisfreie Städte geben – die Oberzentren Mainz, Kaiserslautern, Koblenz, Trier und Ludwigshafen. Dieses Paket – verbunden mit einer grundlegenden Gebietsreform auf Landkreisebene – halten die Gutachter für die „bestmögliche Lösung“, um die rheinland-pfälzische Verwaltung „demografiefest“ und „zukunftsfähig“ zu halten.
Bei der Reform der bisher 24 Kreise können sich die Wissenschaftler drei Szenarien vorstellen. In allen Varianten würden Neustadt/Weinstraße, Speyer, Worms, Landau, Pirmasens und Zweibrücken künftig nicht mehr kreisfrei sein, sondern einem Kreis zugeschlagen.
Die umfassende Version sieht eine drastische Reduzierung auf einige Großkreise (unter Einbeziehung der kreisfreien Städte) mit rund 350 000 Einwohnern als Orientierungswert vor. Die „mittlere Gebietsreform“ plant neben den fünf kreisfreien Städten mit 14 Landkreisen zu 200 000 bis 250 000 Einwohner. Die „kleine Gebietsreform“ schließlich geht von 19 Landkreisen aus. In jedem Fall solle ein Ort künftig mindestens 300 bis 600 Einwohner haben. Dazu Lewentz: „Diesen Verlust der Eigenständigkeit – den wird es mit uns so nicht geben.“
Angesichts der Kritik aus den Kommunen und Kreisen haben Julia Klöckner, rheinland-pfälzische CDU-Chefin, und Christian Baldauf, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, gefordert, die Gebietsreform zur Chefsache zu machen. Dazu boten sie der Ministerpräsidentin „das direkte Gespräch“ an.
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