Worms. Vor Jahren hatte der Wormser Vorort noch drei Bankfilialen. Dann fusionierten zwei davon. 2017 schlossen erst die Volksbank und vier Monate später die Sparkasse ihre Geschäftsstelle. Beide Kreditinstitute taten sich zusammen und eröffneten eine gemeinsame Selbstbedienungsfiliale mit Geldautomat und Terminal, mit dem sich Überweisungen, Daueraufträge und andere Bankgeschäfte erledigen lassen. Seit dieser Woche ist allerdings auch dieser Service Geschichte.
Der rund 2500 Einwohner große Wormser Vorort ist mit diesem Schicksal nicht alleine. Allerdings mausert sich Abenheim zum gallischen Dorf. Es regt sich massiver Widerstand. Die Bürgerinitiative „Lebenswertes Abenheim“ kämpft erbittert um den Erhalt der SB-Filiale – mit Unterschriftenlisten und Demonstrationen.
Verständnis für den Unmut
Sparkassen-Sprecher Volker Rathay hat Verständnis für den Unmut. Schließlich werde den Bürgern ein liebgewonnener Service genommen. Aber es gebe Alternativen. An der Kasse des örtlichen Supermarkts könnten Kunden Geld mitnehmen, und im nur vier Kilometer entfernt liegenden Osthofen sei ein neues Beratungscenter entstanden. Ein Geldautomat samt Serviceterminal sei für Abenheim wirtschaftlich nicht darstellbar, bittet Rathay um Verständnis, zumal der Trend klar zum bargeldlosen Bezahlen gehe und der Abenheimer Geldautomat immer weniger genutzt worden sei. Zahlen will Rathay aber nicht nennen. Diese seien nicht das alleinige Kriterium.
Diese Argumente will BI-Initiator Wilfried Cleres nicht stehenlassen. Dass die Nutzungszahlen zurückgingen, habe viele Gründe. Zum einen sei der Bargeld-Bedarf Corona-bedingt zurückgegangen, zum anderen sei es aber auch das Alter des Geräts gewesen: „Das gehört eigentlich ins Heimatmuseum.“ Es sei mittlerweile Standard, dass Geschäftsleute ihr Geld an einem Automaten nicht nur abheben, sondern auch einzahlen könnten. Das habe das Gerät aber nicht gekonnt. Alleine dadurch hätte man in Abenheim – ein Dorf mit mehreren namhaften Winzern – die Frequenz am Automaten deutlich steigern können.
Außerdem sei der Entschluss eine Unverschämtheit gegenüber vielen älteren Bürgern, die sich nur sehr eingeschränkt mit ihrem Rollator bewegen könnten. Dass der Nutzkauf Bargeld ausgibt, ist für Cleres kein Argument. „Geldgeschäfte haben etwas mit Diskretion zutun“. Es gehe die Leute in der Schlange an der Supermarktkasse nichts an, wie viel Geld man abhebe. „Dass sowas als Alternative angeboten wird, regt mich richtig auf“, sagt Cleres. Außerdem sagt er: „Bargeld ist Freiheit“. Es stärke die lokale Kaufkraft. Obendrein sensibilisiere es die Jugend für den Umgang mit Geld.
Binnen zwei Wochen hat die BI 1531 Unterschriften gesammelt und Oberbürgermeister Adolf Kessel übergeben. Zudem organisierte er eine Demo vor der SB-Stelle. Er sei selbst überrascht gewesen, dass rund 80 Bürger gekommen seien, sogar der mit 88 Jahren älteste Bürger des Orts.
Die BI hat Fachleute um deren Einschätzung gebeten. Demnach kostet ein Geldautomat eine Bank jährlich rund 19 000 Euro. Ab 30 000 Transaktionen sei man wirtschaftlich im grünen Bereich, referiert Cleres seine Recherchen.
Die Stadt ist mit 51 Prozent Anteilseigner der Sparkasse Worms-Alzey-Ried. Deshalb hofft die BI, nun auf politischem Weg ihr Ziel zu erreichen. Sie will die Parteienvertreter im Sparkassen-Verwaltungsrat nun in eigens anberaumten Einzelgesprächen überzeugen. Am 24. Juni ist dessen nächste Sitzung.
Das werde vermutlich nicht reichen, sagt Ortsvorsteherin Stephanie Lohr (CDU). Die Wormser Politik habe nicht die Mehrheit im Verwaltungsrat. Das Geschäftsgebiet der Sparkasse reiche ja auch ins südhessische Ried und in den Kreis Alzey-Worms. Auch diese Gebiete seien vertreten. „Ich wusste, dass die Abenheimer das nicht schweigend hinnehmen“, sagt sie. Aber dass der Protest derartige Ausmaße annehme, habe auch sie überrascht.
Ort blutet aus
Da schwinge auch die emotionale Komponente mit. Es gibt keine Apotheke mehr in Abenheim, nur noch einen Bäcker und einen Metzger. Alles verschwindet, der Ort blutet aus. Auch das vier Kilometer entfernte Beratungscenter in Osthofen sei ehrlicherweise keine echte Alternative, weil es keine direkte Busverbindung dorthin gebe.
Auf der anderen Seite hat Lohr kein Interesse daran, Sparkasse und Volksbank zu schwächen, seien sie doch auch in der Region engagiert. Auch sei das Problem ja kein exklusives für den Wormser Vorort. Also sieht Lohr ihre Rolle in der Vermittlung der Positionen. Ihr Ziel: Einen privaten Anbieter zu überzeugen, einen Geldautomaten hier aufzustellen. Das koste dann aber Gebühren. Lohr: „Einen hundertprozentigen Ersatz werden wir wohl nicht hinbekommen.“
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