Schauspiel

Siegerstück des Autorenwettbewerbs in Worms

Ein Experiment zwischen Posse und Tiefsinn: Im Siegerstück des Autorenwettbewerbs der Wormser Nibelungenfestspiele führt Marcus Peter Tesch den "Versuch" vor, "ein Stück über die Nibelungen (nicht) zu schreiben".

Von 
Markus Mertens
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Szene mit (v.l.) Julian Keck, Laura Lippmann, Loris Kubeng. © Rudolf Uhrig

Streng genommen hat der Jungautor Marcus Peter Tesch mit dem Titel seines Siegerstücks beim Autorenwettbewerb der Wormser Nibelungenfestspiele schon alles gesagt. Denn Tesch wollte nicht mehr und nicht weniger als einen „Versuch, ein Stück über die Nibelungen (nicht) zu schreiben“ vorlegen. Und das ist ihm ohne Zweifel gelungen.

Denn in der Regie von Oliver D. Endreß wirbeln Julian Keck, Loris Kubeng und Laura Lippmann über die Bühne wie wilde Derwische aus Burgund – allein: Mit der Sage der Nibelungen will dieser Abend nicht viel gemein haben. Außer einigen rhetorisch cleveren Wendungen. Ein spärlich besetztes Wormser Theater lernt den „Hagen mit Degen“ kennen, bestaunt den „Mega-Etzel“ und bekommt zu hören: „Wir sehen Gunter und denken: Arschloch!“ Das ist der Einstieg in 80 Minuten, die sich mit tiefsinnigen Fragen wie dieser beschäftigen: „Kann man Staudensellerie auch kochen?“

Reizvoller Ansatz

Das könnte punktuell lustig sein, wenn der Diskurs dabei nicht allzu rasch verlorenginge. Denn eigentlich ist der Ansatz, den großen Mythos der Nibelungensage und des Nibelungenlieds auf hohem Niveau vorzuführen, ein durchaus reizvoller. Burgundische Herrscher, die mit Würsten statt Ketten und Besen statt Schwertern zu Felde ziehen, paraphrasieren diese Überzeichnung an der dekadenten Festtafel (Bühne: Lilith-Marie Cremer) ganz hervorragend. Doch allzu bald degeneriert das Potenzial dieses Abends zur Posse, die sich die Frage der Systemrelevanz gleichwohl selbst stellt.

Verbal kaschiert das Bühnentrio den Mangel an Inhalt durchaus charmant. Wir tauchen ein in die Welt des beschaulichen Plattling in Niederbayern, das just neben Teschs Geburtsort Deggendorf liegt. Erstaunlicherweise – ein Wink mit dem Zaunpfahl! – ist Plattling nicht nur für seine eigenen Nibelungenfestspiele, sondern auch für den örtlichen Globus Supermarkt bekannt, der von zahlreichen Kunden allein wegen der hervorragenden Leberkässemmel aufgesucht wird.

Nur des Effektes wegen?

Wenn solche Botschaften keine Bühne wert sind! Wem das noch nicht genügt, der darf dem Autor noch beim Gespräch mit seiner Mutter lauschen, die ihren erfolgreichen Sohn doch fragen muss: „Kannst du nicht auch mal was Fröhliches schreiben?“ Genau genommen, müsste man Tesch eigentlich fragen: Willst du nur den Effekt, oder willst du bleiben?

Denn insgesamt ist diese Aufführung ja durchaus unterhaltsam. Sie vereint nur nicht vieles in sich, das haften bleibt. Schade ist das deshalb, weil es weder an der schauspielerischen Leistung noch an der Inszenierung selbst, sondern vielmehr an ihrer Substanz krankt.

Auf der Suche nach dem „Ende vom Ende“ stößt man so recht präzise auf eben jene „Lücke“, die Marcus Peter Tesch eigentlich erzählerisch hatte füllen wollen. Immerhin eines ist am Ende dann doch erleichternd. Denn das Ensemble befindet ganz freimütig selbst: „Alle dürfen sich dumm vorkommen.“ Eine Erkenntnis, die nach einer Inszenierung von diesem Zuschnitt immerhin noch für eine Form der Beruhigung sorgen kann.

Freier Autor

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