Zeitreise

Groß-Konflikt des Mittelalters endet in Worms

Papst gegen Kaiser - im Hochmittelalter standen sich diese beiden Institutionen gegenüber. Bekannt ist der Konflikt als Investiturstreit. Der Friedensvertrag, das Wormser Konkordat, wird am 23. September 900 Jahre alt

Von 
Bernhard Zinke
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Das Konkordat als „Graphic Novel“: Kaiser Heinrich V. und Papst Calixt II. geben sich die Ghetto-Faust. Aus der Ausstellung im Wormser Museum. © Berno Nix

Worms. Wochenlang haben die Delegationen in Worms verhandelt, zäh und hart um Details gefeilscht. Am 23. September 1122 sind die beiden Verträge unterschriftsreif. Kaiser Heinrich V. beglaubigt seine Urkunde mit einem schlichten Kreuz, erhält von drei päpstlichen Legaten den Friedenskuss und anschließend die Kommunion. Papst Calixt II. ist persönlich gar nicht angereist. Er hat Gesandte geschickt, ausgestattet mit allen Verhandlungsvollmachten. Welch hohen Rang sie bekleiden, mag der Umstand zeigen, dass zwei der drei Legaten später selbst auf dem Heiligen Stuhl in Rom sitzen werden.

Die Laubwiesen auf der anderen Rheinseite – heute befindet sich hier der Lampertheimer Stadtteil Rosengarten – sind Schauplatz des Finales. Hier beenden die Streithähne Kaiser Heinrich V. und Papst Calixt II. – auch auf Druck ihrer Gefolgschaften – mit dem „Pactum Calixtinum sive Heinricianum“ den wohl größten Konflikt des Mittelalters. Ende des 17. Jahrhunderts wird der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibnitz die Einigung als das „Wormser Konkordat“ bezeichnen und die Begrifflichkeit für die Geschichtsschreibung prägen.

Könige mussten im Mittelalter viel reisen

„Der Streit würde heute unter Kategorie ,schwer vermittelbar’ laufen,“ sagt Gerold Bönnen, Leiter des Wormser Instituts für Stadtgeschichte. Es ist – auf das Wesentliche reduziert – am Ende ein Ringen um die Macht. Jahrhundertelang haben sich die deutsch-römischen Könige und Kaiser selbst als Oberhaupt der Kirche betrachtet, nicht nur Bischöfe und Äbte, sondern auch Päpste von eigenen Gnaden eingesetzt.

Das System der Machterhaltung im hohen Mittelalter ist eng verknüpft mit dem Reisekönigtum. Anders als heute gibt es keine Hauptstadt im Reich. Der König ist mit seinem Gefolge permanent im Reich unterwegs, um seinen Herrschaftsanspruch vor Ort zu untermauern. Deshalb ist er – auch wirtschaftlich – auf die Unterstützung der Bischöfe als regionale Machtzentren angewiesen. „Die Bischöfe waren reiche Adlige, Stellvertreter von Clans“, beschreibt Bönnen die Verhältnisse. Grundlage des Herrschens ist ein Konsens, den Heinrich der IV. aufkündigt – in Worms. Denn nicht nur sein Ende, sondern auch seinen Anfang nimmt der Streit in der mächtigen Reichsstadt.

Spurensuche

Die Stadt Worms feiert den 900. Jahrestag des Konkordats unter anderem mit einer Ausstellung im städtischen Museum im Andreasstift am Weckerlingplatz. „Spiel um die Macht – von Canossa nach Worms“ heißt die Schau in Anspielung auf die fiktive MittelalterserieGame of Thrones“. Die Schau nähert sich dem Thema spielerisch als Graphic Novel und mit einem „Escape Spiel“, das mit dem eigenen Handy gespielt werden kann.

Im Vorfeld des Jubiläums hat eine Tagung unter anderem mit der aktuell besten Kennerin des Investiturstreits, Claudia Zey, den Konflikt wissenschaftlich aufgearbeitet. Für das Frühjahr ist ein Sammelband mit Beiträgen aus der Tagung geplant.

Am 25. September plant die Domgemeinde einen Festgottesdienst mit dem Päpstlichen Nuntius in Deutschland.

Wer im Dom vorbeischaut, kann sich das Geschichtsfenster anschauen. Auch hier ist das Konkordat verewigt. bjz

Der handfeste Krach zwischen Heinrich und Papst Gregor VII. kulminiert in der Frage: Wer darf Bischöfe und Äbte einsetzen? Gregor beansprucht – bestärkt von Reformbewegungen innerhalb der Kirche, die sich unter anderem gegen Ämterkauf (Simonie) wehren – den Vorrang der Geistlichkeit vor der weltlichen Gewalt. Ja, er beansprucht sogar das Recht, den Kaiser abzusetzen. Dann platzt Heinrich der Kragen. Auf einem Hoftag in Worms 1076 formuliert er ein Schreiben, in dem er den Kontrahenten mit dessen Geburtsnamen „Bruder Hildebrand“ tituliert, eine klare Missachtung des Pontifikats. Ja, er fordert ihn sogar zum Rücktritt auf. Gregor VII. reagiert umgehend: Er exkommuniziert den Kaiser – eine nie dagewesene Eskalation zwischen Kreuz und Krone nimmt ihren Lauf. Dass Gregor in seinen Ansichten nicht gerade zimperlich ist, mögen die Attribute zeigen, mit denen ihn selbst zugewandte Weggefährten belegen: Von der „Zuchtrute Gottes“ ist da die Rede, vom „heiligen Satan“ und vom „Höllenbrand“.

Gedrängt von seinen Fürsten, versucht Heinrich IV. die Krone zu retten, wartet drei Tage barfuß im Büßergewand vor der Burg Canossa, bis Gregor ihn schließlich einlässt, sich mit ihm versöhnt und den Bann aufhebt. Der Lack ist damit ab von der königlichen Krone. Nicht mehr der Papst ist Bittsteller, sondern der König. Doch mit dem Frieden ist es nicht weit her. Es geht drunter und drüber im Reich. Gegenkönige werden gekrönt, Gegenpäpste gekürt. „Das Hin und Her kann man den Menschen heute kaum noch erklären“, sagt Stadthistoriker Bönnen.

Worms ist sicheres Terrain für die Kaiser

Fünf Päpste und unzählige gescheiterte Einigungsversuche weiter gelingt 46 Jahre nach dem Brandbrief Heinrichs IV. schließlich in Worms die Einigung. Nicht zuletzt drängen die Reichsfürsten massiv auf das Ende des unseligen Investiturstreits (investire = lateinisch für bekleiden oder übertragen für einsetzen).

Dass ausgerechnet Worms zum Ort der Einigung wird, ist kein Zufall. Sowohl Kaiser Heinrich IV. als auch sein Sohn Heinrich V. befinden sich in Worms auf sicherem Terrain. Die selbstbewusste Bürgerschaft hat Bischof Adalbert schon 1073 aus der Stadt gejagt und den Kaisern die Treue geschworen. Sie lässt sich ihre Loyalität freilich mit Zollprivilegien und weiteren Annehmlichkeiten entlohnen. 50 Jahre lang hat der Bischofssitz keinen Bischof. Die Stadt steht somit unter dem besonderen Schutz des Königs und ist damit sichere Herrschaftsbasis. „Das ist schon einzigartig im Reich“, betont Bönnen die besondere Rolle der Stadt.

© epd

Diese päpstlichen Legaten laden Heinrich V. zur Synode nach Mainz, um den Streit zu beenden. Der will aber nicht dorthin reisen. Er hat einen Konflikt mit dem dortigen Bischof und bleibt lieber in der sicheren Umgebung von Worms. Deshalb reisen die Legaten in die Reichsstadt. Alleine durch die Wahl des königsloyalen Worms als Verhandlungsort kann Heinrich auf den letzten Metern noch Boden gut machen und Vorteile für die Krone herausholen. Am Ende steht der Kompromiss: das Wormser Konkordat. Heinrich V. verzichtet auf die Investitur der Bischöfe und Äbte mit den geistlichen Symbolen Ring und Stab. Außerdem garantiert er freie Bischofs- und Abtswahlen. Das ist also fortan alleinige Sache der Kirche. Ein Ämterkauf, was der Reformkirche besonders ein Dorn im Auge war, wird damit unmöglich. Der König begnügt sich lediglich damit, die Bischöfe nach deren Weihe mit weltlichen Hoheitsrechten zu betrauen, den sogenannten Regalien.

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Herausgehandelt hat Heinrich allerdings, dass der König bei den Bischofswahlen persönlich anwesend sein darf. Das sichert ihm letztendlich auch die Einflussnahme durch die Hintertür. „Es darf davon ausgegangen werden, dass auch nach der Einigung niemand ohne die Zustimmung des Königs Bischof oder Abt wurde“, sagt Gerold Bönnen. Ein weiterer Grundstein der königlichen Machtbasis ist der Umstand, dass der weltliche Herrscher die Kirchenfürsten weiterhin mit Land und Rechten belehnen kann. Das sichert ihm weiterhin auch die materielle Abhängigkeit der Bischöfe.

Vom Wormser Konkordat ist nur die kaiserliche Urkunde im Original erhalten. Sie liegt gut verschlossen in den vatikanischen Geheimarchiven. Von der päpstlichen Urkunde ist das Original verschollen, es existieren nur noch Abschriften.

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