Umwelt I - Streit zwischen Greenpeace und Forstamt um gefällte Eiche und Heldbockkäfer geht in nächste Runde / Heftige Vorwürfe gegen Regierungspräsidium

"Wald offenbar ein rechtsfreier Raum"

Von 
Bertram Bähr
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Viernheim. Für mächtig Wirbel sorgte im November 2013 die Fällung einer rund 150 Jahre alten Eiche im Viernheimer Wald. Greenpeace Mannheim-Heidelberg und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Kreis Bergstraße fuhren gegen das Forstamt Lampertheim schweres verbales Geschütz auf. Die Landesbehörde verstoße gegen Naturschutzbelange und gefährde die Population des Heldbockkäfers, dessen Larven in dem alten Baum nisteten (wir berichteten).

Schon vor knapp vier Monaten hatte sich Forstamtsleiter Ralf Schepp gegen diese Vorwürfe zur Wehr gesetzt. Die Eiche habe man fällen müssen, weil die Krone vollständig abgestorben gewesen sei und die mächtige Pflanze sich sogar schon geneigt habe - mit negativen Folgen für die Verkehrssicherheit. Diese Sicht der Dinge hat die Fachaufsicht des Regierungspräsidiums Darmstadt längst bestätigt - und sich damit von BUND und Greenpeace prompt weitere Vorwürfe eingehandelt.

RP sieht drohende Gefahr

"Jede noch so fadenscheinige Begründung des Forstamts für eine Missachtung bundesdeutscher und europäischer Naturschutzgesetze wird vom RP Darmstadt abgenickt", behauptete Martin Burster von Greenpeace jetzt am Rande einer Aktion, bei der Aktivisten mitten im Wald Protest-Transparente entrollten: "Beim Viernheimer Wald handelt es sich offensichtlich um einen rechtsfreien Raum."

Das RP weist die heftige Kritik zurück. Auf Anfrage des "Südhessen Morgen" betonte Pressesprecher Dieter Ohl: "Die Handlungsweise des Forstamts ist nicht zu beanstanden". Ein Mitarbeiter der RP-Naturschutzabteilung, so Ohl, habe sich vor Ort ein Bild von der Situation gemacht. Eindeutiges Ergebnis: Die Fällung der Eiche sei aus Verkehrssicherheitsgründen "entlang eines häufig von Fußgängern und Reitern genutzten Waldweges" erfolgt.

Zwar stand die Eiche laut RP 15 bis 20 Meter von diesem Weg entfernte. Aber "durch ihre Höhe von etwa 35 Metern stellte sie eine Gefährdung dar" - zumal sie sich "bereits in Richtung Weg geneigt" habe, "so dass bei einem möglichen Sturm ein Umstürzen zu befürchten war".

Im November 2013 waren sich BUND, Greenpeace und Forstamt zumindest darin einig gewesen, dass der gefällte Baum zunächst liegenbleiben solle, "damit die Population noch schlüpfen kann", so Ralf Schepp damals. Jetzt kreiden die beiden Umweltorganisationen genau das der Behörde an: Es werde "sogar auf die fachgerechte Lagerung" verzichtet, sagt Martin Burster. Die sei "nach europäischem Recht zwingend vorgeschrieben. Ohne eine entsprechende Lagerung des Stammes ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Larven des Käfers eingehen wird."

Maßnahmen zum Schutz der Käfer

Dabei sei der Heldbock "europaweit streng geschützt und vom Aussterben bedroht. Mit welches Ignoranz hier vonseiten des Forstamts und des RP als Aufsichtsbehörde Natur- und Artenschutzrecht mit Füßen getreten wird, macht uns fassungslos", so Burster.

RP-Sprecher Ohl kann dagegen nichts Falsches daran erkennen, den Baum an Ort und Stelle liegenzulassen. Dass die Larven dadurch gefährdet sein könnten, weist er zurück: Die sich in absterbenden Eichen "entwickelnden Großkäferarten haben dadurch eine bis dahin für diesen Wald nicht dagewesene Populationsdichte erreicht".

Dementsprechend kann das RP auch nicht die von BUND und Greenpeace beklagten Verstöße gegen Bundesnaturschutzgesetz oder Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU nachvollziehen. Ohnehin seien "durch die Ausweisung von Kernflächen, in denen eine forstliche Bewirtschaftung gänzlich unterbleibt", bereits "Maßnahmen zum Schutz der Käfer ergriffen" worden.

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