Bertram Bähr
Viernheim. Der Dornröschenschlaf der kurz vor dem Ersten Weltkrieg gebauten OEG-Wagenhalle geht zu Ende. Nach Jahren des Verfalls, drohendem Abriss und vielen Fantastereien setzt ein Investor jetzt in die Tat um, was er seit 2006 plant: den Umbau des denkmalgeschützten Gebäudes in einen Bürokomplex. Der soll freilich nicht nüchtern daherkommen, sondern in historischem Ambiente gestaltet werden.
Es ist der dritte Streich der Projektentwickler um den Architekten Matthias Jarcke. Bereits in den Vorjahren setzten sie die "Pamina"-Bebauung zunächst östlich und dann westlich der Halle um. Dort entstanden insgesamt rund 70 seniorengerechte Wohnungen. In den Komplex gegenüber des OEG-Bahnhofs zogen die ersten Mieter im August 2008 ein. Das Haus II wurde im März dieses Jahres offiziell seiner Bestimmung übergeben.
Glassplitter, Wildwuchs, Unrat
Was zwischen den beiden hochmodernen Anlagen noch immer wie ein Fremdkörper wirkt, ist die Wagenhalle, an der in den vergangenen Jahren der Zahn der Zeit immer deutlicher nagte. An den Seiten drängten sich die Sträucher durch zerbrochene Fensterscheiben in die Räume, von oben rieselte das Wasser durchs undichte Dach, und der Boden der Halle war von Glassplittern und Unrat übersät.
Doch jetzt hat das große Aufräumen begonnen. Zurzeit bricht ein Bagger die betonierten Wartungsgruben heraus, die bis in die 70er Jahre für die Reparatur und Pflege der Straßenbahnen im Viernheimer Depot notwendig waren. Etwa Ende 2010, so Architekt Matthias Jarcke gestern auf Anfrage des "Südhessen Morgen", solle das Projekt abgeschlossen werden.
Ein Teil des Nebengebäudes bleibt auf etwa 15 Meter Länge stehen. Der Rest, der ohnehin zum Teil schon stark verfallen ist, wird abgerissen. Kernstück und wichtigstes Element des umgebauten Komplexes ist die Wagenhalle selbst. Sie bleibt im äußeren Erscheinungsbild unangetastet. Auch im Innern behält das gründerzeittypische Schmuckstück aus Glas, Stahl und Backstein seinen offenen Charakter. Die Büros schließen sich an die Außenwände an und bieten Raum für 80 Arbeitsplätze. Kommunikationsbereich im Zentrum der Halle, Besprechungsmöglichkeiten, Cafeteria und Empfang ergänzen den Komplex.
Ideen für die Pläne, die jetzt Realität werden, lieferten im Jahr 2005 Architekturstudenten, die sich in einem Wettbewerb mit dem Areal auseinandersetzten. Dass es aber überhaupt so weit kommen konnte, ist einer Interessengemeinschaft zu verdanken. Die im Februar 2000 gegründete Bürgerinitiative "pro Wagenhalle" mobilisierte alle Kräfte, als ein Abriss drohte. Die Genehmigung lag bereits auf dem Tisch. Doch Zug um Zug machten nicht nur die Bürger, sondern auch Politiker mobil - mit Erfolg. Bis ein wirtschaftlich tragbares Modell vorlag, sollten allerdings noch Jahre vergehen.
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