Verschwisterung

Viernheimer Vereine sollen Partnerschaft beleben

Corona und der Ukraine-Krieg beeinträchtigen den Austausch Viernheims mit der polnischen Stadt Mława. Nun starten die Kommunen einen Neuanfang.

Von 
Wolfram Köhler
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Partnerschaftstreffen in Mława: Die Delegationen aus Viernheim und Franconville mit ihren polnischen Freunden im Juli. © Stadt Viernheim

Viernheim. Es ist ein bedeutender Tag für das südhessische Viernheim und Mława in Ostpolen: Am 31. August 2019 setzen Matthias Baaß und Sławomir Kowalewski im Viernheimer Rathaus ihre Unterschriften unter den Partnerschaftsvertrag. Dabei versprechen sich die Bürgermeister, das Miteinander zu fördern, um eine „feste Grundlage für Verständnis, Respekt und Freundschaft zwischen den Bürgern der Kommunen“ zu schaffen. Ein großes Vorhaben, das sich allerdings nicht so schnell umsetzen ließ wie geplant. Corona und der Ukraine-Krieg prägten die Anfangsjahre der Beziehung, sodass Baaß heute zu der Erkenntnis kommt: „Wir stehen quasi noch am Anfang.“ Künftig sollen sich vermehrt die Bürger der Kommunen begegnen. Der Fokus liegt dabei zunächst auf dem Austausch von Vereinen. Beim jüngsten Treffen vor wenigen Wochen in Polen knüpften daher Vertreter des Französischen Clubs und des Viernheimer Schwimmvereins erste Kontakte.

„In der Phase, als wir beginnen wollten, hatten wir ein Loch“, sagt Baaß rückblickend. Im Jahr 2020 hätten sich die Verantwortlichen der Städte zunächst per Video-Konferenz darüber ausgetauscht, wie sie mit der Pandemie umgehen. Die Corona-Krise habe es unmöglich gemacht, die Partnerschaft mit Leben zu füllen. Und es wurde nicht besser. Zwei Jahre später folgte der Angriff Russlands auf die Ukraine. „Der Krieg hat Mława sehr belastet“, erklärt Baaß. Innerhalb kurzer Zeit nahm die polnische Stadt rund 3.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland auf. Der Viernheimer Bürgermeister erinnert sich noch gut an ein Gespräch mit Kowalewski, der angesichts der Lage sehr verzweifelt gewesen sei. Die schwierige Zeit habe aber auch ihr Gutes gehabt, fügt Baaß hinzu. Sofort habe sich gezeigt: „Die Partnerschaft funktioniert.“

Viernheim sammelte Geld für die Betreuung der Geflüchteten, und Franconville in Frankreich übernahm spontan den Transport von Hilfsgütern nach Polen. Darüber hinaus wurden die Soldaten an der Front mit Thermokleidung ausgestattet. Aus der Gemeinschaftsaktion ist 2023 sogar eine Dreierpartnerschaft zwischen den Kommunen geworden, was den Viernheimer Bürgermeister erkennbar freut.

Positive Signale vom neuen Bürgermeister

Sehr zuversichtlich stimmen Baaß auch seine Erfahrungen bei der jüngsten Partnerschaftsfeier in Polen. Der neue Bürgermeister Mławas, Piotr Jankowski, und sein Team hätten deutlich signalisiert, dass sie das gemeinsame Projekt fortführen möchten. „Sie wollen das, das hat man gemerkt.“ Für Viernheim sei die Abwahl des bisherigen Amtsinhabers Kowalewski sehr überraschend gewesen. Auch dieses Ereignis wertet Baaß als eine Art „Bruch“ in der Städtepartnerschaft, der aber umgehend überwunden werden soll. „Nach all den Wirren war es ein gutes Treffen in Mława“, lautet seine Bilanz.

Einen zusätzlichen Schub für das Miteinander der Kommunen erhofft sich Baaß von Susanna Garbo. Die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung kümmert sich nun um die Städtepartnerschaften, nachdem die entsprechende Stelle im Kultur- und Sportamt rund ein Jahr lang nicht besetzt war. Unterstützung bekommt Garbo nach Vorstellung des Viernheimer Bürgermeisters künftig vom Französischen Club, der sich zu einer europäischen Einrichtung weiterentwickeln soll. „Wir wollen keinen polnischen Club gründen“, sagt Baaß mit Blick auf die klassischen Partnerschaftsvereine früherer Tage. So gab es auch schon einen Englischen Club in Viernheim, der sich allerdings nach dem Niedergang der Partnerschaft mit Potters Bar auflöste.

Sławomir Kowalewski, der frühere Bürgermeister der Stadt Mława, und der Viernheimer Verwaltungschef Matthias Baaß bei der Verschwisterungsfeier im Spätsommer 2019. © Stadt Viernheim

Die Verwaltung von Mława sei über lange Zeit mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, berichtet Baaß, deshalb habe Viernheim erst jetzt ein Vereinsregister der Partnerstadt erhalten. „Darauf lässt sich aufbauen.“ Als Anknüpfungspunkt für spätere Begegnungen sieht er etwa die Begeisterung beider Kommunen für den Schwimmsport. Die polnische Stadt habe ein großes Hallenbad, die Brundtlandstadt sogar zwei Bäder. „Der Viernheimer Schwimmverein überlegt nun, was man aus den Gemeinsamkeiten machen kann“, sagt Baaß. Jochen Krause, zweiter Vorsitzender des VSV, habe aus diesem Grund an dem Treffen von Vereinsvertretern in Mława teilgenommen. Außerdem sei Barbara Zielinska-Nolte vom Französischen Club mit nach Polen gereist, um die Basis für spätere Begegnungen zu schaffen.

Die Partnerstadt Mława

  • Die Stadt Mława hat rund 31.000 Einwohner und liegt in der polnischen Woiwodschaft Masowien, etwa 130 Kilometer nordwestlich von Warschau und 210 Kilometer südöstlich von Danzig. Die Strecke nach Viernheim beträgt rund 1.200 Kilometer.
  • Vor Ort gibt es mehrere Kindergärten, Grund- und weiterführende Schulen sowie eine Kunstschule.
  • Mlawa zeichnet sich durch seine Jugendstilarchitektur aus. Sehenswürdigkeiten sind unter anderem der Marktplatz mit der Dreifaltigkeitskirche und dem historischen Rathaus, der Stadtpark und der jüdische Friedhof.
  • Bekannt ist die Stadt durch die Schlacht von Mława. Sie dauerte vom 1. bis 3. September 1939 und war eine der ersten des Zweiten Weltkriegs . wk

Im Blick hat der Viernheimer Verwaltungschef auch den Geschichtsverein von Mława. Nördlich der Stadt fand im Zweiten Weltkrieg während des Überfalls auf Polen eine der ersten Schlachten statt. Die Gruppierung kümmere sich unter anderem um die Kriegsgräber vor Ort, erklärt Baaß. Er schlägt vor, polnische Vereinsvertreter zum Volkstrauertag einzuladen und sie dabei mit Menschen zusammenzuführen, die sich um die Viernheimer Heimatgeschichte kümmern.

Vertreter der Stadt Viernheim empfangen im Mai eine Schülergruppe aus Mława im neuen Rathaus. © Stadt Viernheim

Humboldtschule und Jugendförderung pflegen Kontakte

Baaß weist darauf hin, dass es trotz der anfänglichen Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren immer wieder Begegnungen zwischen den Bürgern der beiden Städte gab. Neben Vertretern aus Verwaltung und Politik sei etwa Musiker Holger Bläß mit Freunden beim Stadtfest von Mława aufgetreten. Die Alexander-von-Humboldt-Schule pflege über das Erasmus-Programm den vermutlich intensivsten Austausch mit Polen. Ihre Partnerschule ist die Szkoła Podstawowa nr 6. Parallel dazu sei Lars Prechtl vom Stadtteilbüro Ost der Jugendförderung sehr aktiv. Infolge dieses Kontakts nahmen polnische Jugendliche an dem internationalen Camp teil, das die Stadt Viernheim bei den Olympischen Spielen in Paris veranstaltete. Es sei doch einiges geschehen im Rahmen der Partnerschaft, sagt Baaß, nachdem er die Aktivitäten aufgezählt hat – „auf kleiner Flamme eben“. Wenn es nach dem Viernheimer Bürgermeister geht, darf die Freundschaft mit Mława aber deutlich wachsen.

Redaktion

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