Das Wichtigste in Kürze
- Das Tierheim in Viernheim ist überfüllt und nimmt ausgesetzte Hunde wie Ku Xiyaxiya auf. - Die Mitarbeiter kümmern sich intensiv um die Tiere, um ihnen Sicherheit und Vertrauen zu geben. - Eine sorgfältige Vorbereitung ist wichtig, damit Hund und Mensch zusammenwachsen.
Viernheim. Tiere sind weder ein Spielzeug noch eine Wegwerfsache wie eine Tetrapak-Tüte, sondern Lebewesen mit Bedürfnissen und Gefühlen wie Menschen auch. Wenn also Hunde ausgesetzt werden, dann ist das kein Kavaliersdelikt. Im Tierheim Viernheim haben rund 20 Hunde ein Dach über dem Kopf gefunden. Die meisten wurde einfach irgendwo zurückgelassen. Nicole Dalesio, Leiterin des Viernheimer Tierheims, und Nicole Tomera, stellvertretende Tierheimleiterin für den Hundebereich, sind in einem Dilemma: „Eine schwierige Situation. Alle unsere Plätze sind belegt. Gleichzeitig darf man ein Tier in Not nicht im Stich lassen, wenn es ausgesetzt wurde.“
Ein Beispiel ist der anderthalb Jahre alte Mischling Ku Xiyaxiya. Seinen Namen hat der Hund im Tierheim erhalten. Es ist Sitte im Tierheim, den Tieren afrikanische Namen zu geben, die zu ihnen und ihrem Charakter passen. Ku Xiyaxiya steht für „Wachsamkeit“. Vor kurzem fand Dalesio den Hund an einem Freitagnachmittag. Sein Herrchen hatte ihn gerade an den Zaun des Tierheims gebunden und wollte weglaufen.
Im Tierheim Viernheim kommen fast jeden Tag neue Anfragen
Als Dalesio den Mann ansprach, erklärte er seine Lage: Er war nach eigenen Worten obdachlos, hatte aber einen Platz in einem Hotel gefunden, dort waren Hunde verboten. So wollte er das Tier in Tierheimen der Region, zum Beispiel in Mannheim und Ludwigshafen abgeben. Aber das gelang nicht, denn dort waren alle Plätze belegt. Nun war er mit dem Tier in Viernheim angelangt. Angeblich hatte er ein Telefonat erledigen wollen und sich deshalb von dem Tier entfernt.
Nicole Dalesio sagt: „Mir tat der Hund so leid. Aber auch ich konnte das Tier nicht aufnehmen. Wir bekommen fast jeden Tag Anfragen, ob wir einen Hund aufnehmen können, aber unsere Plätze sind alle belegt, wir führen eine Warteliste. Wie in ganz Deutschland.“ An diesem Freitagnachmittag kurz vor Feierabend fehlte das Personal, um einen neuen Hund fachgerecht zu versorgen und ihn nicht allein zu lassen. Dalesio versprach dem Mann, nach einer Lösung zu suchen. Als sie ihn um seine Handynummer bat, verweigerte er ihr die Auskunft. Dalesio sagt: „Da hatte ich schon den Verdacht, dass etwas nicht stimmt.“
Spenden willkommen
Wer das TierheimViernheim mit einer Spende unterstützen möchte, der spendet an:
Tierschutzverein Viernheim u.U.e.V., Sparkasse Starkenburg
IBAN: DE36 5095 1469 0003 0014 77
BIC: HELADEF1HEP
Mehr Infos unter www.tierheim-viernheim.de
Sie sollte recht behalten. Kurze Zeit später wurde sie alarmiert: Der Hund war gefunden worden. Er war in der Nähe erneut an einen Zaun angebunden und zurückgelassen worden. Dalesio sagt: „Das war so unfair gegenüber dem Hund.“ Sie erläutert: „Jeder neue Hund muss bei uns zuerst in eine Quarantäne-Box, bis wir sicher sind, dass er keine ansteckende Krankheit hat und die anderen Tiere nicht gefährdet.“ Da beide Quarantäne-Boxen besetzt waren, brachte sie einen Hund im Büro unter, um Platz zu schaffen.
Am Samstag kam Tomera wegen des Neuzugangs hinzu. Sie erklärt: „Wenn ein Hund ausgesetzt wird, erleidet er ein Trauma bedingt durch den Verlust seiner Sozialpartner, egal, ob er zuvor gut versorgt wurde oder nicht. Unser Ziel ist es, dem Hund rasch ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.“
Im Tierheim Viernheim gibt es für alle Tiere „Qualitätszeit“: Die Tiere erhalten nicht nur ein Dach über dem Kopf, Wasser und Futter, sondern jedes Tier wird jeden Tag eine Zeitlang individuell betreut und erhält den so nötigen Sozialkontakt. Wenn ein neuer Hund ins Tierheim kommt, so verbringt Tomera den ersten Tag mit diesem Tier.
So kann sich schnell Vertrauen entwickeln. Schon bei diesem ersten Kontakt merkt sie, was er für einen Charakter hat und erhält erste Informationen: Orientiert er sich am Menschen? Oder ist er eher eigenständig? Wie kommt er mit anderen Hunden zurecht? Bei Ku Xiyaxiya war sofort klar: „Der Hund war nicht erzogen. Er zog an der Leine und pöbelte andere Hunde an.“
Schon mit dem ersten Kontakt beginnt Tomera mit jedem Tier das Training. Sie gibt ihm Halt und Sicherheit: „Wenn ein Hund Strukturen erhält, hat das Tier viel weniger Stress oder Angst. Es kann sich orientieren und Verantwortung abgeben. Auch der Mensch hat dann weniger Stress und mehr Freude.“ Sie arbeitet viel mit körpersprachlichen Signalen, weniger mit Worten. So versteht Ku Xiyaxiya ihre Signale schon ziemlich gut – und er mag „seine“ Leute vom Tierheim.
Tierheim Viernheim hat innerhalb von wenigen Tagen ausgesetzte Hunde aufgenommen
Das schwere Schicksal von Ku Xiyaxiya ist kein Einzelfall. In der Corona-Zeit hatten viele Menschen einen Hund aufgenommen – und sind nun überfordert. Ein weiteres Problem sind Hunde, die aus dem Ausland importiert und bei uns aus Mitleid angeblich vor der Tötung gerettet werden. Auch hier sind die Halter in Deutschland häufig überfordert, wenn der Hund zum Beispiel für die Jagd ausgebildet worden ist.
Auch solche Hunde werden nun vermehrt in Deutschland ausgesetzt. So hat das Tierheim Viernheim innerhalb von wenigen Tagen ausgesetzte Hunde aus Rumänien und Bulgarien aufgenommen. Die Tierheime im Ausland weigern sich teilweise strikt, die Tiere wieder zurückzunehmen – und sie beteiligen sich auch nicht an den Kosten der Viernheimer Einrichtung. Dalesio und Tomera sagen: „Wir sind auf Spenden angewiesen, um unseren Aufgaben gerecht zu werden.“
Wer sich ein Tier anschaffen möchte, sollte sich das genau überlegen.
Sie mahnen: „Wer sich ein Tier anschaffen möchte, sollte sich das genau überlegen.“ Sobald sich jemand für einen Hund aus ihrem Tierheim interessiert, gibt es zuerst ein ausführliches Telefonat, damit eine weitere Vermittlung dann passt und „für immer“ ist. Danach folgt ein persönliches Erstgespräch. Geklärt werden die Erwartungen und Vorstellungen des zukünftigen Frauchens oder Herrchens. Gibt es in der Familie Kinder oder nicht? Gibt es noch weitere Tiere wie Katzen oder Kleintiere? Es werden aber auch so nüchterne Themen wie Kosten für Leine, Körbchen, Futter, Steuer und Arztkosten besprochen.
Experten des Tierheims Viernheim geben Tipps für die Eingewöhnung
Die Experten des Tierheims prüfen vor Ort, ob sich der Hund in seinem neuen Zuhause wohlfühlen wird. Sie geben Tipps für die Eingewöhnung. Tomera: „Am besten hält sich das neue Zuhause zunächst weitestgehend an unseren Rhythmus mit den Zeiten für die Fütterung, die Beschäftigung und die Ruhephasen. Weniger ist mehr. Also erst einmal darf mit kleinen Spaziergängen begonnen werden und es sollte anfangs kein Besuch vorbeikommen, damit sich das Tier erst einmal in Ruhe eingewöhnen kann.“ Empfehlenswert ist der Besuch der Hundeschule, in der die neuen Halter viel über die Körpersprache lernen und mit dem Hund ein harmonisches Miteinander erreichen.
Diese intensive Vorbereitung ergibt Sinn. Dalesio sagt: „Es gibt kaum Schlimmeres, als wenn man in das Gesicht eines Hundes schaut, der ein zweites Mal ausgesetzt worden ist.“ Tomera ergänzt: „Aber wenn es gelingt, dass Tier und Mensch zusammenwachsen, ist das ein megatolles Glück. Dann wird der Hund zum Familienmitglied.“
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