Viernheim. Wer das Viernheimer Tierheim betritt, wird von einem Orchester bellender Hunde begrüßt. Die Tiere sind wegen der Corona-Zeit keine Besucher mehr gewohnt. Nach und nach kehrt Ruhe ein. Doch Tierheimleiterin Nicole Dalesio schlägt Alarm: „Die Zeiten haben sich geändert. Wir machen uns Sorgen um unsere Tiere, denn die stetig steigenden Kosten für Tierarztgebühren, Spezialfutter und Energie wie auch die fehlenden Einnahmen und Spenden zwingen uns in die Knie.“ Erst jetzt ist es nach der jahrelangen Corona-Pause wieder möglich, beliebte Veranstaltungen wie Flohmärkte, Sommerfeste und das Fest namens „Wuzzdog“ auszurichten, um Spenden zu sammeln.
Als der Viernheimer Tierschutzverein 1957 gegründet wurde, lautete der Leitspruch: „Der Schutz der Tiere ist unser höchstes Gebot, sie haben ein Anrecht auf ein würdiges Dasein. Durch unsere Taten im Tierschutz stellen wir unsere Tierliebe unter Beweis.“ Doch seitdem haben sich die Gesellschaft und auch ihr Verhältnis zu Haustieren verändert. Vor allem die Tierheim-Hunde gehören zu den Sorgentieren.
„Schwer zu vermitteln“
Nicole Dalesio erklärt: „Früher konnten wir Hunde innerhalb von wenigen Monaten in ein neues Zuhause vermitteln. Heute leben die meisten Hunde einige Jahre bei uns, bevor sie an neue Halter abgegeben werden können.“ Das liege daran, dass der „Markt“ durch Corona überfüllt sei. Und daran, dass die Menschen nicht mehr richtig mit einem Hund umzugehen wüssten.
Das Tierheim zählt derzeit über 20 Hunde, fünf Katzen, zwei Pflege-Degus (chilenische Nagetiere), fünf Pflege-Kaninchen und zwei Wellensittiche. Die Katzen seien leicht vermittelbar, doch viele Hunde nicht. Die Tierheimleiterin spricht von „schwer zu vermittelnden Tieren“, da viele aus einem Grund abgegeben werden: „schwierig im Umgang“.
Nicole Dalesio hat die Erfahrung gemacht, dass nur wenige Menschen wissen, welche Aufgaben mit der Haltung eines Hundes verbunden sind. In der Folge passiere es immer häufiger, dass ein Welpe verzärtelt werde, keinen Gehorsam lerne und als erwachsener Hund schließlich auffällig werde. Manchmal brauche es sogar die Polizei, um die Besitzer vor ihrem eigenen Tier zu retten.
Ein Beispiel: Eine Familie mit einem Kleinkind hatte sich für einen Hund aus Rumänien entschieden. Das Tier wechselte auf einem Parkplatz von Auto zu Auto den Besitzer. Die Familie war überzeugt, dass der Hund in ihrer kleinen Wohnung im ersten Obergeschoss glücklich sein müsse. Doch der Vierbeiner war verwirrt und fühlte sich so bedroht, dass er Familienmitglieder biss. So landete er im Tierheim. Die Story hat ein Happy End. Dalesio lächelt: „Wir konnten ihn in ein gutes Zuhause vermitteln, wo man ihm Geduld, Know-How und Empathie entgegenbringt.“
Mittel gegen Einsamkeit
Aber nicht immer sei es so einfach. In der Corona-Zeit hätten Menschen vor der Einsamkeit Zuflucht bei Hunden gesucht. In Deutschland seien viele sogenannte Corona-Tiere aufgrund der Unwissenheit ihrer Halter nur schwer zu bändigen und inzwischen in Tierheime gebracht worden. „Wir beherbergen einige dieser Hunde“, so Dalesio, „unser Team trainiert täglich mit unseren Schützlingen, denn jedes Tier soll seine Qualitätszeit bekommen. Das ist uns ganz wichtig. Wir wollen unsere Tiere nicht nur verwalten. Wichtig ist auch, dass sie sich hier so lange zuhause fühlen, bis die passenden Personen kommen, die unseren Lieblingen ein Für-Immer-Zuhause bieten können. Solange sind wir für sie da, bauen Vertrauen auf und lasten sie so gut wie möglich aus.“
Matsefu ist ein solcher Hund. Weil er gebissen hat, wurde er abgegeben. Er stammt aus Griechenland. Dalesio erklärt: „Doch er passte sich nicht an. Also landete er bei uns. Matsefu ist kein einfacher Hund, aber mit dem richtigen Know-How und Feingefühl geführt, ist er ein großartiger und treuer Begleiter. Wir hoffen sehr, dass er bald ein eigenes Zuhause bekommt.“
Bei der Vermittlung achten Nicole Dalesio und ihr Team auf den Charakter der Hunde. Sie sagt: „Viele Menschen, die sich einen Hund wünschen, verlieben sich in ein Internet-Foto des Tiers. Aber in der Realität ist der Hund oft anders als die Vorstellung. Wir prüfen, ob Mensch und Tier sich mit ihren Gewohnheiten und Vorlieben miteinander wohlfühlen könnten.“ So ist es gelungen, 13 in Viernheim beschlagnahmte Welpen gemäß ihrem Charakter zu vermitteln. Dalesio sagt: „Wir sind happy. Alle sind bei ihren Familien geblieben.“
Krisentreffen zur Rettung
Lisa Dieter gehört zum ehrenamtlichen Vorstand des Tierschutz-Vereins. Seit fünf Jahren ist sie Besitzerin eines Tierheim-Hundes und erklärt: „Ein Hund ist keine Maschine, sondern ein Lebewesen mit Gefühlen. Das bedeutet Freude, aber auch Verantwortung für das Tier.“
Seit rund 30 Jahren ist Nicole Dalesio im Tierheim aktiv. In diese Arbeit habe sie sich verliebt. Doch nun ist das Heim in Gefahr. Vor Kurzem gab es ein Krisentreffen zur Rettung des Tierheims. Dalesio sagt: „Wir freuen uns über neue Mitglieder, Patenschaften und Tierarzt-Gutscheine. Wir möchten weiterhin für unsere Tiere da sein, denn wir sind für sie das Wichtigste, was sie haben!“ Bekannte Hundetrainer wie die Autorin Perdita Lübbe-Scheuermann gestalten in den nächsten Monaten Webinare zugunsten des Viernheimer Tierheims nach dem Motto „Einer für alle, alle für einen“.
Info: Mehr Infos unter Mail kontakt@tierheim-viernheim.de
Termine
Am Sonntag, 25. Juni , 15 Uhr, findet im Tierheim, Alte Mannheimer Straße 4, die ordentliche Mitgliederversammlung des Tierschutzvereins Viernheim und Umgebung statt.
Am Sonntag, 2. Juli, bietet das Viernheimer Tierheim einen Flohmarkt an.
Am Samstag, 15. Juli, ab 18 Uhr, gibt es das bekannte Wuzzdog-Festival in der Viernheimer Feierabendhalle.
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