Kundgebungen

Viernheimer stehen auf für die Demokratie

300 Menschen kommen zur Kundgebung für Demokratie und Menschenwürde in Viernheim. Zeitgleich kommen auch Menschen zu einer anderen Demo zusammen.

Von 
Martin Schulte
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300 Menschen versammeln sich am Montag für Demokratie und Menschenwürde auf dem Rovigo-Platz. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Da sind diese beiden Pole. Sie gehorchen keinen Naturgesetzen, aber sie verursachen gesellschaftliche Strömungen. Da sind die, die sich von reaktionären Impulsen triggern lassen. Sie folgen dem Aufruf des polizeilich bekannten Bürgerforum Bergstraße, das auf dem Viernheimer Apostelplatz vorgeblich für Meinungsfreiheit und gegen Krieg demonstriert. Knapp 50 Leute kommen dazu.

Und da sind die, die sich für Demokratie und Menschenwürde einsetzen. 300 Teilnehmer folgen dem Aufruf der Demokratie-Initiative „Viernheimer Appell“ zur Kundgebung auf dem Rovigo-Platz gleich nebenan. So zeigt dieser Montagabend eindrücklich: In dieser Stadt ist die Anziehungskraft der tatsächlich freiheitlichen Demokratie und der tatsächlichen Achtung vor der Würde des Menschen wesentlich stärker als die des Rückwärtsgewandten.

Das Datum dieser beiden Kundgebungen, der 27. Januar, markiert die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 80 Jahren. Der 27. Januar ist weltweit Holocaust-Gedenktag. Es liege auf der Hand, warum das Bürgerforum Bergstraße diesen Tag für seine Kundgebung in Viernheim gewählt hat, sagt ein Teilnehmer der Demonstration des Viernheimer Appells im Gespräch mit dem Reporter. „Da kommen die, die ein Problem mit dieser Erinnerung haben.“

Menschen in Viernheim gehen für Demokratie auf die Straße

Die Demokratie-Initiative Viernheimer Appell hat inzwischen zahlreiche Veranstaltungen organisiert in Viernheim. Dahinter stehen Frauen und Männer, deren gemeinsames Credo das Abwehren antidemokratischer, antisemitischer und ausländerfeindlicher Strömungen ist. Die Initiative ist ein Gegenpol des Hasses und der Verrohung der Gesellschaft.

Der Viernheimer Appell verortet das Bürgerforum Bergstraße in der rechten Szene, erklärt öffentlich, das Forum mache verdeckte Wahlwerbung für die AfD. Nachdem die Leute vom Appell von der Kundgebung des Forums in Viernheim erfahren hat, haben sie diese Gegenveranstaltung auf die Beine gestellt. Und, wie der Proporz zeigt, mit Erfolg.

Uwe Pfenning, Co-Sprecher des Viernheimer Appells, begrüßt die Teilnehmer vor der Goetheschule sichtlich bewegt ob des Zuspruchs. Er richtet Grüße aus von Norbert Schübeler. Der Stadtverordnetenvorsteher bedaure, nicht dabei sein zu können. Er halte sich für einige Zeit in den USA auf.

„Und ich soll Euch von ihm ausrichten, dass Ihr glücklich sein könnt über die demokratischen Verhältnisse in Deutschland. Die hätten sich mit dem Amtsantritt von Donald Trump in den Staaten schlagartig verändert“, sagt Pfenning. Er bedankt sich für die starke Präsenz von staatlicher und städtischer Polizei. „Sie sind nicht zuletzt auch zu unserem Schutz da.“

Viernheim: Sprecher betont Erinnerungskultur

Pfenning betont die Bedeutung der Erinnerung an die Nazizeit im Hier und Heute. Diese Geschehen dürften nicht vergessen, schon gar nicht verdrängt werden. Denn es zeige gerade vor dem Hintergrund des Rechtsrucks der Gesellschaft, wozu der Mensch fähig sei.

„Viele Deutsche sind damals ins Ausland geflohen vor den Nazis. Dort wurden sie aufgenommen, fanden eine neue Heimat. Deshalb haben wir als Deutsche eine ganz besondere Verpflichtung, Asylsuchende aufzunehmen“, erklärt Pfenning.

Knapp 50 Teilnehmer folgen dem Ruf des Bürgerforums Bergstraße, das sich angeblich für freie Meinungsäußerung engagiert. © Bernhard Kreutzer

Der Viernheimer Grünen-Vorsitzende Sebastian Heß sagt vor dem Hintergrund der Befreiung von Auschwitz vor 80 Jahren: „Wir stehen heute hier, weil es wieder Menschen gibt, die meinen, sie könnten das Rad der Geschichte zurückdrehen.“

Das Bürgerforum Bergstraße fordert unter anderem, die deutsche Militärhilfen für die Ukraine einzustellen, um Russland nicht zu provozieren. „Es sind mit dem Auto acht Stunden von der ukrainischen Grenze bis Frankfurt an der Oder. Der Krieg kann sehr schnell hier sein“, so Heß. „Wir wollen ein Deutschland der Chancen sein und nicht ein Deutschland der Angst“, lautet seine Schlussformel.

Schülerinnen in Viernheim: „Wir wünschen uns eine Zukunft in Frieden und Freiheit“

Alicia Schappach, Lara Barrenpohl und Celina Lanninger sind in der zehnten Klasse der Friedrich-Fröbel-Schule. Und sie sind in der Unesco-AG bei ihrer Lehrerin Bianca Klotzbach. Zu viert setzen sie hinter jeden Buchstaben der Organisation der Vereinten Nation ihre Appelle. Nur zwei Beispiele: Das E steht für Erinnerung. „Internationale Gedenktage sind uns wichtig. So erinnern wir heute an die Opfer des Holocaust. Denn erinnern heißt nie wieder!“

Das O wie Offenheit: „Wir wünschen uns eine Zukunft in Frieden und Freiheit, Chancengleichheit und Gerechtigkeit. Wir möchten kritische Bürgerinnen eines Landes werden, in dem die Unantastbarkeit der Würde des Menschen im ersten Artikel des Grundgesetzes steht.“ Die Zuhörer sind beeindruckt. Sie applaudieren und jubeln frenetisch. Den Worten des Quartetts ist an diesem Montagabend nichts mehr hinzuzufügen.

Redaktion Reporter.

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