Kirche

Viernheimer Kantor geht in Ruhestand

Nach 35 Jahren als Kantor in den evangelischen Kirchengemeinden Viernheims wird Martin Stein am Sonntag, 29. Januar, in den Ruhestand verabschiedet. Sein Beruf ist für ihn der schönste, den die Kirche zu bieten hat

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red
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Zum Pressegespräch im Haus der Kirche in Heppenheim kam der scheidende Kantor Martin Stein mit dem Fahrrad. © Dekanat Bergstraße

Viernheim. „Ich würde diesen Beruf jederzeit wieder ergreifen!“ Martin Stein spricht am Ende dieses klaren Bekenntnisses das Ausrufezeichen hörbar mit – der Kantor der Evangelischen Auferstehungsgemeinde Viernheim sowie der Evangelischen Christuskirchengemeinde will auch gar keinen Zweifel daran aufkommen lassen und fügt als Bekräftigung hinzu: „Mein Beruf ist der schönste Beruf in der Kirche!“ 35 Jahre lang hat ihn der heute 61-Jährige mit spürbar „großem Herzblut“ ausgeübt. Am Sonntag, 29. Januar, 10 Uhr, wird der Kirchenmusiker nun im Rahmen eines Gottesdienstes in der Auferstehungsgemeinde von Pfarrerin Silke Bienhaus, der stellvertretenden Dekanin des Dekanats Bergstraße, verabschiedet.

Dass ihn bereits als Teenager die Leidenschaft für die Musik gepackt hat, führt der im pfälzischen Ellerstadt aufgewachsene Stein auf eine engagierte Klavierlehrerin zurück. Mit Kirchenmusik und Chorgesang allerdings kam er erst in den letzten beiden Schuljahren vor dem Abitur in Berührung, als er am Gymnasium in Bad Dürkheim in den Schulchor sowie in den Kammerchor der Protestantischen Gemeinde eintrat. Der damalige Kantor in Bad Dürkheim, bei dem Stein Orgelunterricht nahm, hat in ihm dann vollends die Liebe zur Kirchenmusik entfacht.

„Die musikalische Gestaltung von biblischen Texten hat mich gepackt“, fasst Martin Stein seine Motivation in Worte und spricht von Faszination: „Ich dachte: Wenn es so viel beeindruckende Musik zu diesen Texten gibt, dann möchte ich mich auch inhaltlich mit diesen Texten beschäftigen.“ Und so war es die Musik, die den jungen Mann – getauft, konfirmiert, aber durchs Elternhaus nach eigenen Angaben „nicht wirklich kirchlich sozialisiert“ – zum Glauben brachte.

Streichorchester gegründet

Nach dem Abitur studierte er am Evangelischen Kirchenmusikalischen Institut Heidelberg (heute: Hochschule für Kirchenmusik) und damit an einer der bundesweit renommiertesten Ausbildungsstätten für angehende Kirchenmusiker. Im Jahre 1984 schloss er mit der sogenannten B-Prüfung seine Ausbildung ab, um nach dem 20-monatigen Zivildienst dann im August 1987 in Viernheim seine erste – und letztlich auch einzige – Stelle als Kantor anzutreten. Diese zunächst mit einem 1/3-Deputat und C-Besoldung ausgestattete Position wurde 1994 zur 1/2 B-Stelle und 2004 dann zur vollen B-Stelle. Dass die Kantoren-Stelle erst nach und nach ausgebaut wurde, kam dem Vater von drei Kindern sehr entgegen.

Zu Beginn seiner Tätigkeit in der Evangelischen Kirchengemeinde Viernheim leitete Martin Stein die Kantorei sowie den Kinderchor und als dritte Gruppe ein von ihm frei zu wählendes Ensemble: Weil er auch zwei Jahre Cello-Unterricht hatte, gründete der junge Kantor kurzerhand ein Streichorchester. Beleg für die große Vielfalt seines Schaffens ist die Liste der Gruppen, für die Stein verantwortlich zeichnete: die Kantorei, den Spatzen-, den Kinder-, den Jugend- sowie den Gospelchor.

Seine große Leidenschaft war nicht das solistische Orgelspiel, sondern die Arbeit mit den musikalischen Gruppen und Chören. Es waren die Begegnungen mit den Menschen aller Altersgruppen – „vom Fünfjährigen im Spatzenchor bis zur 80-Jährigen in der Kantorei“ –, die Martin Stein so liebte, die ihn aber auch viel Kraft kosteten. Befragt nach herausragenden Projekten schwärmt der Kirchenmusiker vom Musical „Frenzy“: Vier Mädchen aus dem Jugendchor schrieben das Libretto, ein befreundeter Theatermusiker steuerte die Musik bei – „das war ein Megaprojekt“.

In Steins Zeit als Kantor wurden die Viernheimer Orgeltage ins Leben gerufen, in die dann immer wieder die Veranstaltungsreihe Orgel & Bike integriert wurde. Auch die Lange Nacht der Kirchenmusik oder die Viernheimer Kirchenmusiktage tragen Steins Handschrift. Besonders in Erinnerung ist ihm das „Jahr der Kirchenmusik“ 2012, als die Viernheimer Auferstehungsgemeinde unter dem Motto „Kirche macht Musik – Musik macht Kirche“ mehrere Konzerte, musikalisch gestaltete Gottesdienste und eine Ausstellung historischer Gesangbücher organisierte. Möglich wurden diese und andere Projekte auch durch den in seiner Amtszeit gegründeten Förderverein für Kirchenmusik.

Zukunftspläne noch offen

Martin Stein hat auch immer über den eigenen „Tellerrand“ geschaut: Ob das nun die Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche oder mit der Städtischen Musikschule Viernheim war, „ich habe immer versucht, meine Gemeinde, meine Gruppen und mich in der Stadt mit anderen zu vernetzen“. Und wenn heute im Rahmen des Kirchentwicklungsprozesses „ekhn 2030“ von „Verkündigungsteams“ die Rede ist, in denen Pfarrpersonen, Kirchenmusik und Gemeindepädagogik zusammenwirken, dann muss Stein schmunzeln: „Diese Zusammenarbeit ist hier bereits gelebte Praxis und hat klasse funktioniert.“ Die Kooperation mit Gemeindepädagogin Sabine Lorenz, die über eine theaterpädagogische Ausbildung verfügt, bezeichnet Stein sogar als „genial“.

Pläne für die Zeit nach seiner Verabschiedung hat der begeisterte Radfahrer noch nicht geschmiedet – vielleicht geht er mit seinem zum guten Freund gewordenen Kirchmusikerkollegen Konja Voll mal wieder auf große Radtour. 

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