Viernheim. „Kennt ihr das, wenn ihr ein komisches Gefühl im Bauch habt?“, fragt Leni Bohrmann, und Lothar Däuwel ergänzt: „Wenn es sich anfühlt wie ein Kloß im Magen?“ Die Viertklässler der Friedrich-Fröbel-Schule nicken vorsichtig. „Schlecht, einsam, traurig“ nennen sie das „Nein-Gefühl“.
Die beiden Theaterpädagogen spüren mit den Schülern aber auch den positiven Empfindungen nach: „Gut, erleichtert, es kann weitergehen“, beschreiben die Mädchen und Jungen ihr „Ja-Gefühl“.
Die Erwachsenen sensibilisieren die Kinder, auf ihr Gefühl zu hören – gerade, wenn es um den eigenen Körper geht. Im Präventionsprojekt „Mein Körper gehört mir“ klären die Fachleute auf, wann sich ein Problem auftun könnte und wie man es lösen kann. Dabei spielen die Erwachsenen den Schülern kleine Szenen vor, die nah am Alltag der Kinder und Jugendlichen sind und in denen doch die körperlichen Grenzen von Kindern überschritten und verletzt werden.
Wenn der Nachbar dem Jungen beibringen will, wie man Tennis spielt und ihm an den Po fasst. Oder wie das Mädchen beim Ballspielen auf einen Exhibitionisten trifft. „Das ist sexueller Missbrauch“, klären Leni Bohrmann und Lothar Däuwel auf.
Und sie werden noch genauer: „Wenn dich jemand anfasst oder du sollst ein Körperteil anschauen oder anfassen und du hast dabei ein Nein-Gefühl, ist das ebenfalls sexueller Missbrauch.“ Sie gehen in den Dialog mit den Schülern: Wie soll man nun reagieren? „Nein sagen, schreien, wegrennen“ sind die Antworten der Viertklässler. „Und niemals zu der Person hingehen“, mahnt Lothar Däuwel.
In der Spielszene berichtet das Mädchen anschließend dem Hausmeister der Schule von der Begegnung. „Wenn ihr es jemandem erzählt, geht es euch besser“, erklärt Leni Bohrmann.
Theaterszenen helfen
In einer nächsten Szene verabredet sich ein Mädchen per Handychat mit einem vermeintlich Gleichaltrigen, um dessen süßen kleinen Hund zu sehen. Doch dann steht ein erwachsener Mann vor ihr. „Stop“ unterbrechen die Theaterpädagogen und tauschen sich mit den Schülern aus, was nun passieren könnte und wer dann Schuld hat. „Es hat immer nur der Erwachsene Schuld“, prägen sie den Kindern ein.
Bei brenzligen Alltagssituationen sollen drei Fragen helfen: „Habe ich ein Ja- oder Nein-Gefühl? Weiß jemand, wo ich bin? Bekomme ich Hilfe, wenn ich sie brauche?“ Wenn man auch nur einmal mit Nein antwortet, sollten Kinder immer eine Vertrauensperson aufsuchen.
Wie es richtig geht, zeigt die nächste Szene: Ein Mann spricht das Nachbarskind auf der Straße an, lädt es zum Spielen zu sich und seinen Kindern nach Hause ein. Und das Mädchen reagiert richtig: Sie ist unsicher und sagt zuerst dem Vater Bescheid.
Darauf zielt das Präventionsprojekt ab: Kinder sollen ihren Gefühlen trauen und haben das Recht, „Nein“ zu sagen – erst recht, wenn es um ihren Körper geht.
Damit sich die Kinder das leicht und spielerisch merken können, gibt es den passenden Körpersong: „Mein Gefühl ist echt, mein Gefühl hat immer Recht. Mein Körper gehört mir allein, du bestimmst über dein und ich über mein.“
„Mein Körper gehört mir“ ist ein 1994 entstandenes theaterpädagogisches Präventionsprogramm, das Kinder ermutig und stärken soll, uneingeschränkt auf ihre Gefühle zu hören. Die theaterpädagogische Werkstatt mit Sitz in Osnabrück wurde dafür 2011 mit der Comenius-Edu-Media-Medaille der Gesellschaft für Pädagogik und Information ausgezeichnet. „Mein Körper gehört mir!“ wird regelmäßig inhaltlich und sprachlich überarbeitet, um den sich wandelnden Herausforderungen zu begegnen. So wurde das Thema Internetgefahren integriert.
Das Projekt wird derzeit auf Initiative der Sparkassenstiftung Starkenburg in der Friedrich-Fröbel-Schule für die Viertklässler umgesetzt. Dreimal, mit zeitlichem Abstand, besuchen die Theaterpädagogen eine Klasse und befassen sich mit dem Thema, dass es einfach Grenzen gibt, die niemand überschreiten darf.
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