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Viernheim wirbt mit neuer Strategie um Kita-Mitarbeiter

190 Kita-Plätze fehlen in Viernheim allein bei den über Dreijährigen. Doch was tun, wenn Fachkräfte rar sind? Die Stadt will mit einer neuen Kampagne gegensteuern. Das sind die Pläne

Von 
Dirk Timmermann
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Stellen die Strategie zur Gewinnung von Kita-Fachkräften vor: Matthias Baaß (v.l.), Peter Lichtenthäler, Maria Lauxen-Ulbrich, Tobias Mandel, Klaus Traxler, Rudolf Haas, Markus Eichler und Jörg Scheidel. © Dirk Timmermann

Viernheim. „Wie bekomme ich Personal für Kindertagesstätten?“ Mit seiner unverblümten Frage sprach Bürgermeister Matthias Baaß ein Thema an, das nicht nur Viernheim bewegt. Die Folgen des Fachkräftemangels im erzieherischen Bereich trifft Eltern wie Kinder: Viele von ihnen bleiben bei der Vergabe von Plätzen außen vor. 190 Plätze fehlen allein bei den über Dreijährigen, eine Gruppe mit 25 Plätzen ist derzeit nicht besetzt (wir berichteten).

An dieser Lage etwas zu ändern, ist Ziel einer neuen Strategie: „Fachkräfte für Viernheimer Kitas“ heißt das Konzept, das Maria Lauxen-Ulbrich vor Vertretern von Stadt und Trägern präsentierte. Ein wichtiger Punkt für die Gleichstellungsbeauftragte: den Betreuungsberuf richtig darzustellen. Dass Erzieherinnen „nicht nur Kaffee trinken“, sei zwar inzwischen bekannt, doch halte sich manches Vorurteil. Ein Beispiel sei die Bezahlung. „In den 80ern war sie tatsächlich unterirdisch“, räumt Lauxen-Ulbrich ein. Doch habe sich das geändert. So verdient eine Auszubildende im ersten Jahr mehr als 1 300 Euro, das Gehalt der Berufserfahrenen liegt teils deutlich über 3 000, abhängig von Erfahrungsstufe und Größe der Einrichtung.

Ebenfalls attraktiv: die Breite des Angebots, gerade in Viernheim. Die 15 Kitas vor Ort seien sehr unterschiedlich ausgerichtet, hebt Pfarrer Klaus Traxler hervor. Das Spektrum reiche von konfessionellen Kitas bis zum Familienzentrum, so der Geistliche von der Christuskirchengemeinde. Daher hätten Erzieherinnen und Erzieher gute Chancen, den passenden Arbeitgeber zu finden.

Das fehlende Personal will Lauxen-Ulbrich auf mehreren Wegen gewinnen: Zum einen sollen bestehende Potenziale ausgeschöpft werden. Dazu kommt der Ausbau der Qualifizierung, die vom Anerkennungspraktikum bis zur praxisorientierten Ausbildung oder dem dualen Studium reicht.

Dritte Säule der Strategie ist eine Werbekampagne: „Fachkräfte für Viernheimer Kitas“ tritt mit eigenem Logo auf, Plakate werden in Kitas platziert. „Es gibt auch für Sie den passenden Weg!“, „Wir brauchen dich“, lauten die Slogans, mit denen Interessierte zu Quereinsteigern werden sollen. Eltern von Kindern, die die Kita besuchen, gehörten schließlich auch zur Zielgruppe, weiß die „Kümmererin“, als die sich Lauxen-Ulbrich sieht.

Auch digital ergreift man die Initiative: Auf den Internetseiten der Träger finden sich Botschaften, die für Praktikum, Ausbildung als Sozialassistenz und für den klassischen Erzieherberuf werben. Die Stadt hat außerdem einen Werbefilm auf Youtube eingestellt. Speziell an Jugendliche richtet sich der Instagram-Account, unter dem angehende und erfahrene Erzieherinnen Fragen beantworten. Mit im Boot ist Tobias Mandel von der Jugendförderung.

„Dein Weg in die Kita“ heißt es derweil in weiterführenden Schulen. Gewählt wird die direkte Ansprache. Interesse und „Aha-Effekte“ erlebe man am ehesten, wenn eine junge Person dabei ist, so die ersten Erfahrungen. 23 Schüler wurden in einer Schule angesprochen, andernorts über 30. Um junge Menschen für den Betreuungsberuf zu begeistern, wird man verstärkt an Fachmessen und Infotagen teilnehmen. Die Fachschulen für Sozialpädagogik sind erste Adressen, präsent sein will die Kampagne aber im kompletten Raum Mannheim und Weinheim, darunter an der Elisabeth-Selbert-Schule in Lampertheim. Doch auch Berufsrückkehrer sollen wieder einsteigen, hoffen die Initiatoren.

Auch Quereinstieg möglich

Für Hilfskräfte, etwa aus dem hauswirtschaftlichen Bereich, sowie potenziell Interessierte greift das große Feld der Qualifizierung. Betroffen sind auch Menschen mit Migrationsgeschichte, sowohl mit als auch ohne pädagogischen Hintergrund. Das Problem: Abschlüsse werden vielmals nur schleppend anerkannt. Hier möchte Maria Lauxen-Ulbrich ansetzen. Dabei will sie bei Fragen der Anerkennung helfen, neue Qualifizierungswege aufzeigen und Sprachkurse vermitteln. 26 Personen sind bisher ausgewählt. Zwei von ihnen hat die Gleichstellungsbeauftragte bei einer Infoveranstaltung von „Lernmobil“ kennengelernt: Der Verein, der für „Integration durch Bildung“ steht, gehört zu den Kooperationspartnern der Kita-Fachkräftestrategie. Ebenfalls dabei sind Förderband e.V., Jugendförderung, Jobcenter Neue Wege, Arbeitsagentur und die Fachschulen.

Wer keine pädagogische Erfahrung hat, kann trotzdem in Kitas beginnen. „Wenn es passt, überlegen wir die nächsten Qualifizierungsschritte“, sagen die Verantwortlichen. Drei Personen soll jede Kita pro Jahr in Qualifizierung haben – „ein sehr ehrgeiziges Ziel“, wie Baaß sagt. Der Rathauschef erinnert sich an Zeiten, in denen es „Stellenanzeigen, Vorstellungsgespräche und dann Einstellungen“ gab. Weil dem nicht mehr so sei, habe sich nun die Stadt der Personalgewinnung angenommen. Pfarrer Markus Eichler, in dessen Zuständigkeit die Kita „Arche Noah“ fällt, ist überzeugt vom Konzept. Noch 2016 habe man vier Ausbildungsplätze problemlos besetzen können, heute „kämpfen wir um jeden Platz“. „Dankbar für das Engagement“ ist auch Peter Lichtenthäler. Wie nötig es ist, erläutert der Leiter derViernheimer Geschäftsstelle der Arbeiterwohlfahrt an einem weiteren Beispiel: Immer mehr Kinder haben besondere Bedarfe, was die Situation angesichts des Fachkräftemangels zusätzlich verschärfe. Mit der Kampagne sei nun jedoch „Schwung in die Sache“ gekommen.

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