Tourismus - Reisebüros verzeichnen erste Buchungen für den Sommer / Große Einnahmeausfälle durch Pandemie

Urlauber hoffen auf Abstand

Von 
Florian Hartmüller
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Andrea Schlosser-Jakob hat ihr Reisebüro während des zweiten Lockdowns mithilfe des EU-Förderprogramms „Lokale Ökonomie“ modernisiert. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. „Die Sehnsucht wächst“, hat Andrea Schlosser-Jakob festgestellt. Nach Monaten des Corona-bedingten Stillstands verzeichnet die Inhaberin des TUI-Reisecenters seit Mitte Januar langsam wieder ein größeres Interesse an Urlaubsangeboten. „Allein heute gab es schon drei Anfragen.“ Das sei zumindest ein kleiner Lichtblick. Denn 2020 ging die Zahl der zustande gekommenen Reisen laut Schlosser-Jakob im Vergleich zum Vorjahr um rund 90 Prozent zurück.

Reisebüros leben von Provisionen für vermittelte Angebote. Dieses Geld erhalten sie aber nur, wenn die Kunden ihre oft für den Sommer gebuchten Urlaube auch antreten. Der Beginn des ersten Lockdowns Mitte März und Reisewarnungen des Auswärtigen Amts führten deshalb dazu, dass Schlosser-Jakob ein großer Teil ihrer Einnahmen wegfiel. Trotzdem musste sie mehr arbeiten. Denn Hauptbuchungszeit ist von Januar bis März. Schlosser-Jakob hatte also gerade viel Energie in die Vermittlung gesteckt und musste nun wieder das meiste stornieren.

„Wir haben schwer gekämpft“, sagt sie. Durch ihre Rücklagen und staatliche Hilfen gelang es ihr jedoch, durchzuhalten. „Mir war klar: So höre ich nicht auf.“ Schlosser-Jakobs Reisebüro besteht seit 1993 und sie glaubt fest an die Zukunft der Branche. Deswegen hat sie während des zweiten Lockdowns ihr Geschäft in der Rathausstraße aufwendig modernisiert. Unter anderem ist es nun mit neuen grauen Möbeln und einer großen Weltkarte ausgestattet. Geholfen hat dabei das EU-Förderprogramm „Lokale Ökonomie“.

Beratung am Bildschirm

In ihren Geschäftsräumen hält Schlosser-Jakob inzwischen auch zwei Tablets bereit. Deren Anschaffung hatte sie schon vor der Pandemie geplant. Nun sind die Geräte aber besonders von Nutzen. „So müssen die Kunden und ich nicht mehr zusammen auf den Bildschirm schauen und können den notwendigen Abstand ganz einfach einhalten.“ Momentan ist das Geschäft zwar wegen des Lockdowns geschlossen. Schlosser-Jakob hat jedoch auch ein Konferenz-Programm angeschafft, mit dem sie Reisewillige digital beraten kann. „Der Kunde sieht die Angebote zu Hause auf seinem Bildschirm und wir können sie gemeinsam durchblättern.“

Viele potenzielle Urlauber seien jedoch zurückhaltend, nachdem Reisen im vergangenen Jahr wegen Corona-Beschränkungen teils kurzfristig abgesagt werden mussten. „Die Leute sind frustriert“, sagt Schlosser-Jakob. Jedoch ist nicht nur die Nachfrage eingebrochen, auch das Angebot hat sich reduziert. „Die meisten Ferienhäuser an der Ostsee sind deshalb für diesen Sommer zum Beispiel schon ausgebucht.“ Beliebt sind daneben große Ferienanlagen mit viel Platz, etwa in der Türkei. Auch Griechenland, das von der Corona-Pandemie weniger stark betroffen ist als viele andere Länder, wird gerne als Reiseziel gewählt. „In diesem Jahr hat außerdem zum ersten Mal jemand einen Urlaub auf den Färöer-Inseln bei mir gebucht“, berichtet Schlosser-Jakob. In der Regel gehe es um Termine in den Monaten Juli bis September. „Während dieser Zeit waren ja auch im vergangenen Jahr Reisen möglich.“

Im Moment gelten zahlreiche Urlaubsziele allerdings als Risikogebiete. Volker Reinhardt, der Inhaber von Reiseteam Weltweit, rät seinen Kunden daher, mit Buchungen noch etwas zu warten. „Keiner weiß, wie sich die Lage entwickeln wird.“ Nur einzelne ganz optimistische Kunden würden bereits für August und September Urlaube buchen, etwa in Spanien oder in der Türkei. Generell hat Reinhardt aber festgestellt: „Die Leute sind völlig verunsichert.“

Viele Veranstalter hätten inzwischen darauf reagiert und böten die Möglichkeit, eine Reise noch wenige Wochen vor dem geplanten Antritt kostenlos zu stornieren oder umzubuchen. Darum würden sich die Anbieter nun oft auch selbst kümmern. „Das erspart uns viel Arbeit“, sagt Reinhardt erleichtert.

Im vergangenen Jahr musste nämlich auch er zahlreiche Buchungen der Monate Januar bis März stornieren. „Die dadurch entgangenen Provisionen hat uns die Bundesregierung aber zu 80 Prozent erstattet.“ Unter anderem deshalb will er nun auch weitermachen, nachdem er zeitweilig überlegt hatte, sein 1991 gegründetes Reisebüro zu schließen. Für 2021rechnet Reinhardt aber nur mit etwa 20 Prozent des Umsatzes, den er 2019 gemacht hat.

Große Veränderungen

Auf seine Branche sieht er große Veränderungen zukommen. „Zum Beispiel machen heute mehr Leute Urlaub im Wohnwagen und buchen die Campingplätze dafür selbst.“ Zudem hat etwa die Lufthansa mehrere Strecken stillgelegt. „Weil das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger wird, werden wohl auch nach der Krise nicht mehr so viele Leute fliegen.“ Das betreffe besonders den Geschäftskundenbereich, der bei Reinhardt vor der Pandemie etwa zehn Prozent des Umsatzes ausmachte. „Viele Unternehmen werden weiter auf Online-Konferenzen setzen.“

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