St. HiMi - Heribert Kerschgens berichtet über seinen Orden

"Unser Leben ist nicht asketisch"

Von 
Johanna Emmerich
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Viernheim. Wie ein Leben im Kloster, in einem Orden, in Ehelosigkeit, funktioniert, kann sich ein Außenstehender kaum vorstellen. Um den Lebensweg eines Berufenen zu begreifbar zu machen, hat die Pfarrgruppe St. Michael und St. Hildegard dieses Jahr zum Jahr der Berufung erklärt. Pater Heribert Kerschgens, der jetzt zu Gast in Viernheim war, hat sich für ein solches Leben entschieden: Er ist Salvatorianer und lebt mit seinen Mitbrüdern in Köln. "Und das Leben hier hat so gar nichts mit der überzeichneten Vorstellung aus Film und Roman zu tun", erklärt er am Wochenende der Gemeinde in der Hildegardkirche.

Als Mathematiklehrer tätig

Als Salvatorianer hat er neben dem Leben im Kloster eine Aufgabe außerhalb des Ordenslebens und ist als Lehrer tätig. "Unser Leben hier ist nicht langweilig oder asketisch, ganz im Gegenteil", entgegnet er dem Stereotyp des Klosterlebens: "Natürlich ist jeder Orden anders, aber vor allem stehen wir mitten im Leben und verlassen jeden Tag für unsere Jobs das Kloster und sind dann als Lehrer oder Polizeiseelsorger für die Menschen da". "Dass es auch solche Mönche gibt, wussten meine Familie und meine Freunde gar nicht, als ich mich für meinen Lebensweg bei den Salvatorianern entschieden habe", erklärt Pater Kerschgens.

Dass er in Jeans und Hemd statt in Mönchskutte zu seinem ersten Besuch zu Hause kam und das Feierabendbier immer noch genoss, hatten die meisten nicht erwartet. "Ein bisschen liegt das auch an unserem Standort Köln", scherzt der Pater in seiner Predigt "Bei uns heißt es eben nicht römisch-katholisch, sondern rheinisch-katholisch."

Nicht hierarchisch strukturiert

Auch rein hierarchische Strukturen sucht man bei Kerschgens und seinen Mitbrüdern vergebens: "Wir sind demokratisch organisiert, und wenn uns etwas nicht passt, dann wird eben ein anderer gewählt, der die Leitung übernimmt." Eigentlich hatte der Pater gar kein Leben im Kloster geplant, sondern hatte als Mathematik-Lehrer begonnen und nach Studium sowie Referendariat erst sieben Jahre in seinem Beruf gearbeitet, bevor er in den Orden eintrat. Seine erste Ausbildung sieht er heute als echten Gewinn für seine Arbeit: "Im Gespräch mit Schülern und Kollegen kann ich ganz anderes auftreten", sagt er.

So fragen ihn seine Schüler oft, wie er, wo er doch was "Gescheites" gelernt hat, überhaupt an Gott glauben kann, wo er doch dessen Existenz kaum beweisen könne. "Und dann ist man mitten im Gespräch, das macht eben meine Arbeit aus." sagt Pater Heribert Kerschgens, bevor er sich nach einem Gottesdienst am Sonntagabend aus Viernheim verabschiedet, um am Montag wieder im Klassenzimmer zu stehen.

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