Viernheim. Die Rosskastanien im Bannholzgraben sehen jämmerlich aus. Und das ist nicht die einzige Stelle in der Stadt, wo die Bäume so aussehen. Der Laie meint, die Pflanzen seien kurz vor dem Absterben – weil sie nicht gegossen werden. Das dem nicht so ist, erklärt Annemarie Biermas, die neue Leiterin des Amts für Stadtentwicklung und Umweltplanung (ASU). „Und ob wir gießen. Und zwar extrem viel.“ Aber in diesen Genuss kämen eben nicht alle der über 10 000 Stadtbäume, sagt sie auf Nachfrage dieser Redaktion.
Annemarie Biermas (38) ist die Nachfolgerin von Frank Ewert, der in den Ruhestand geht. Sie erklärt, die Leute vom Stadtbetrieb legten sich richtig ins Zeug, um die Bäume zu bewässern, auch samstags. Zum Zuge kämen allerdings nur die neuen Anpflanzungen und die noch jungen Bäume. Sie bräuchten diese Unterstützung, damit sich die Wurzeln ausbilden und später einmal das Grundwasser erreichen können.
Ältere Bäume müssten alleine über die Runden kommen, ihre Wurzeln reichten in aller Regel tief genug. So wie die Rosskastanien im Bannholzgraben, die dort vor über 15 Jahren gepflanzt worden sind. Nun seien die welken Blätter nicht sofort ein Hinweis darauf, dass die Bäume im Begriff sind abzusterben, sagt Biermas.
„Natürlich haben diese Pflanzen jetzt großen Stress. Aber sie helfen sich selber, etwa, indem Blätter vertrocknen lassen und dadurch ihre Verdunstungsfläche verringern. Sie sparen mit dieser Methode Wasser“, so die Stadtplanerin. Ab einem gewissen Alter könnten die Bäume diesen Stress schon vertragen. „Im Wald gießt ja auch kein Mensch.“
Ein gewisser Schwund
Andererseits sei aber auch immer von einem gewissen Schwund auszugehen. Biermas nennt das „survival of the best“ – die Besten überleben. Zumal angeschlagene Pflanzen anfälliger für Krankheiten und Schädlingsbefall seien. Grundsätzlich würden eingegangene Bäume ersetzt. Voraussetzung sei unter anderem, dass Neupflanzungen den Wurzeln des Bestands in der Umgebung nicht in die Quere kommen.
Nach den Angaben des Stadtbetriebs rückten dessen Mitarbeiten an sechs Tagen der Woche aus. Ihr Fahrzeug fasse 1600 Liter Wasser, und es würde acht Mal am Tag neu befüllt, zum Beispiel an den Hydranten im Stadtgebiet. Das macht 12 800 Liter pro Tag und 76 800 in der Woche. Dazu, erklärt Biermas, kämen ja noch die fest installierten Bewässerungsanlagen, zum Beispiel die in der breiten Grünanlage zwischen den Fahrbahnen der Wormser Straße.
Zudem werde gerade die Anschaffung eines weiteren Fahrzeugs für die Bewässerung geprüft. Der Stadtbetrieb verfüge zwar noch über ein anderes Fahrzeug. Das stehe aber still, weil keiner der in Frage kommenden Mitarbeiter einen Lkw-Führerschein besitze, berichtet die Stadtplanerin.
Sie wolle die Gelegenheit nutzen, sich ganz ausdrücklich bei der Viernheimer Feuerwehr zu bedanken. Die war zuletzt erneut ausgerückt, um Grünflächen in der Stadt großflächig zu bewässern.
Und da seien ja noch, das sei ihr ganz wichtig zu erwähnen, die gar nicht so wenigen Bürger, die ihren Stadtbaum vorm Haus selber und auf eigen Kosten bewässerten. „Ich finde das sagenhaft, und ich freue mich immer sehr, wenn ich das sehe“, sagt Biermas, die in Viernheim lebt. „Das ist doch eine tolle Einstellung: Der Baum gibt mir Schatten und frische Luft – und ich gebe ihm etwas dafür zurück. Ich finde das inspirierend.“
Der Konflikt, einerseits enorme Mengen an Grundwasser für die Bäume zu verbrauchen und andererseits ja das Grundwasser schonen zu müssen in dieser langen Trockenheitsperiode, sei ihr sehr bewusst, sagt Biermas. „Hier erleben wir den Klimawandel hautnah.“ Trotzdem stehe es aktuell nicht zur Debatte, die Bewässerung der Bäume auszusetzen. Die Bäume zu erhalten, sei für das Stadtklima unerlässlich. Zumal Viernheim überaus eng bebaut sei.
Widerstandsfähige Arten
„Auch wenn wir viel Grundwasser verwenden, ist es für die Natur ja nicht verloren“, so Biermas. Bäume produzierten Sauerstoff und spendeten Schatten, hätten also abkühlende Effekte. Außerdem würde ein – wenn auch geringer – Teil des Gießwassers wieder ins Grundwasser versickern.
Bei künftigen Neupflanzungen sei auf Arten zu setzen, die mit langanhaltender Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen, erklärt Biermas. Solche Arten seien beispielsweise der Schnurbaum, der Blauglockenbaum, die Zierreiche, der Feldahorn, der Französische Ahorn, der Abendländische Zürgelbaum oder die Morgenländische Platane.
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