Internetbörse - Viernheimerin entdeckt mit Anfang 50 Couchsurfing für sich / Kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten für Fremde

Tochter bringt Mutter auf den Geschmack

Von 
Uta-Caecilia Nabert
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Kater Micky leistet den Couchsurfern, die Sabine Inzinger beherbergt, Gesellschaft. Auf die Idee, Fremden ein Bett anzubieten, kam die Viernheimerin vor ein paar Jahren - durch ihre Tochter, die begeistert aus Australien zurückkehrte.

© ucn

Viernheim. "Ich habe mich noch einmal gefühlt wie 25", sagt Sabine Inzinger (Name von der Redaktion geändert) und lacht. Dabei war sie schon Anfang 50, als sie Couchsurfing für sich entdeckte und auf dieser neuen Welle der Gastfreundschaft quasi zurück in ihre Jugend surfte. Wer mitmacht, kann sich Länder von einer anderen Seite erschließen, denn über eine Plattform im Internet kann er bei Einheimischen anfragen, ob er für ein oder mehrere Nächte bei ihnen wohnen darf. So durfte ich zum Beispiel auf Inzingers Couch surfen.

Passenderweise treffen wir uns zunächst im Times-Café. Hier ticken die Uhren an den Wänden im Takt verschiedener Länder: Eine etwa zeigt die Zeit von Rio an, eine andere die von New York. Das eigene Ziffernblatt informiert mich darüber, dass es 17.30 Uhr ist: an einem Montag. Inzinger ist gerade von ihrer Arbeit bei einer Erziehungsberatungsstelle gekommen. In einer halben Stunde beginnt ihre Chorprobe in Mannheim. Ich darf mitkommen.

Mit Rucksack durch Südamerika

Bis dahin rühren wir in unserem Kaffee, und sie erzählt von ihren Erlebnissen - von denen als Couchsurferin und aus der Zeit, als sie wirklich 25 Jahre alt war: "Damals bin ich mit dem Rucksack durch Südamerika gereist." Aber dann hätten das Sprachen-Studium, später die Kinder Vorrang gehabt.

Von weiten Reisen konnte sie nur noch träumen. Doch eben der Nachwuchs war es auch, der Inzinger vor vier Jahren auf das Couchsurfen aufmerksam machte. "Meine mittlere Tochter kam aus Australien zurück und berichtete davon. Sie sagte: ,Mama, das ist toll, das musst Du mal machen.'"

Sabine Inzinger erzählt von ihren Erlebnissen auf Teneriffa, Mallorca, in der Schweiz und in Deutschland. Dann ist es ist Zeit. Auf dem Weg nach Mannheim erfahre ich mehr über Inzingers Arbeit und ihre drei Töchter. Die 54-Jährige erzählt gerne, ist aber genauso interessiert an ihrem Gegenüber. Schnell stellen sich Gemeinsamkeiten heraus. "Die sind wichtig, nach ihnen suche ich mir die Gastgeber aus, da spielt dann das Alter auch keine große Rolle", sagt sie.

Eine Rolle spielt aber, dass die Türen der XY-Gemeinde verschlossen sind. Das schlechte Zeichen erweist sich als bezeichnend: Die Chorprobe fällt aus. Kurz überlegen wir, wohin mit uns, Inzinger schmiedet einen neuen Plan: "Erst nach Hause fahren und etwas essen - und dann zum Mantrasingen." In ihrer Wohnung kommt eine weitere Gemeinsamkeit um die Ecke: Micky, ein hübscher, grauer Kater. So bleibt die Nacht unter einem fremden Dach doch ein wenig vertrauter - obwohl ich Mickys Artgenossen zu Hause lassen musste.

Das Abendessen ist so bunt gemischt und spannend, wie die Couchsurfer und ihre Geschichten. Es gibt Rigatoni, Süßkartoffel-Nudeln , dazu Käse- und Sojasoße, Kichererbsen- sowie grünen Salat. Dazu unterhalten wir uns über Quantenmedizin und die Energie von Wasser. Wieder gibt die Uhr den Takt vor: Schnell ins Auto, das Mantrasingen wartet. Bei "Hari Om Ganesha", Kerzen und leiser Gitarrenmusik fährt der Körper runter. Müdigkeit stellt sich ein. In Anbetracht der Tatsache, dass meine Gastgeberin - und damit auch ich - am nächsten Tag um kurz nach sechs Uhr aus den Federn müssen, heißt es zu Hause angekommen: Couch ausklappen und "Gute Nacht."

Trotz allen Meditierens, die Eindrücke des Tages sind nicht vollkommen verdrängt. Ich liege auf meinem Lager im Arbeitszimmer und denke noch einmal darüber nach, was meine Gastgeberin über ihre Couchsurf-Gäste erzählt hat. Über die Frau aus Göttingen etwa, die wegen eines Tanzworkshops nach Viernheim kam.

Neuseeländerin zu Besuch

Obwohl Sabine Inzinger in einer Kleinstadt wohnt, hat sie seit 2008 einige Besucher gehabt: Ein Paar auf der Durchreise von Holland in die Schweiz war erst am Wochenende da. Viernheim, nah an der Autobahn gelegen, bot sich als Zwischenstopp an.

Eine Neuseeländerin wiederum wollte eigentlich in Heidelberg übernachten. Als das nicht klappte, hat sie geschaut, wer noch in der Gegend wohnt. Sie sah, dass die Viernheimerin am gleichen Tag wie sie Geburtstag hat. Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, erzählt Inzinger noch ein wenig. Dann ist es Zeit: Der Tisch ist abgeräumt, die Tasche wieder gepackt. Bleibt noch, das Sofa zuzuklappen. Lange wird es wohl nicht in diesem Zustand bleiben. Inzinger meint: "Die nächsten Couchsurfer kommen bestimmt."

Freie Autorin

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