Viernheim. Michael Kosbau macht Schluss mit der SPD. Deren Ortsvereinsvorsitzender ist er in Viernheim bis zum 21. Oktober gewesen. Just an diesem 21. hat er seinen Austritt aus der Partei vollzogen. Es war sein 30. Geburtstag. Mit der Rückgabe seines Parteibuchs waren auch die Niederlegungen seiner Ämter – Ortsvereinsvorsitzender und Stadtverordneter – vollzogen. In einer nichtöffentlichen Mitgliederversammlung wurde nun die Viernheimer Basis über seinen Schritt informiert.
Die entsprechende Pressemitteilung des SPD-Ortsvereins Viernheim enthält keine konkreten Gründe für Kosbaus Entscheidung. Er selbst war bei der Versammlung auch schon nicht mehr dabei. Nur das Übliche war dort zu lesen: Danke für den Einsatz und für die Zukunft alles Gute . . . Das einzig annähernd Konkrete: „In der Mitgliederversammlung wurde bekanntgegeben, dass der Co-Vorsitzende des Viernheimer Ortsvereins, Michael Kosbau, seinen Parteiaustritt erklärt hat und somit alle Parteiämter niederlegt. Er begründet diesen Schritt mit Grundentscheidungen und Tendenzen der Bundespartei, die nicht mehr seinen eigenen politischen Vorstellungen entsprechen.“
Auf den Kontaktversuch dieser Redaktion reagiert dann auch Kosbau selbst mit einer gestanzten schriftlichen Mitteilung: „In einer solchen Situation wäre es nicht angemessen, der gemeinsam abgesprochenen Pressemitteilung etwas hinzuzufügen. Alles, was ich sagen kann: Danke an alle Menschen, mit denen ich konstruktiv und gut zusammenarbeiten konnte. Ich werde das Parteienspektrum sehr genau beobachten.“
Keine Probleme in Viernheim
Im Anschluss kommt doch ein Gespräch mit dieser Redaktion zustande. Nein, sagt Kosbau, mit der Politik der Partei vor Ort und ihren Personen habe seine Entscheidung überhaupt nichts zu tun. Ausschließlich bundespolitische Tendenzen hätten ihn dazu bewogen.
Er habe in Viernheim Mitstreiter enttäuscht, habe Turbulenzen verursacht. Vor diesem Hintergrund wolle er jetzt nicht auch noch öffentlich Kritik an der Partei äußern, quasi nachtreten. Aber wenn er mit den Viernheimer Genossen kein Problem hatte – warum dann keine klare Stellungnahme seine bundespolitischen Erwägungen betreffend?
Michael Kosbau ringt mit sich und wiederholt, er halte es nicht für opportun, sich in der aktuellen Situation auch noch zu exponieren. Er sagt nur so viel: „Ich war 2017 gegen die große Koalition und habe mich dem linken Parteiflügel angeschlossen. Und wenn man hier keine Mehrheiten findet, muss man sich doch fragen, ob das noch die richtige Partei für einen ist.“ Darüber hinaus bereite ihm insbesondere die Außenpolitik der Ampel Bauchschmerzen.
Da sei unter anderem der Unwille, die Abhängigkeit vom stärksten Nato-Partner – das sind die USA – zu beenden. Ebenso nennt er die sogenannte feministische Außenpolitik Annalena Baerbocks. Die halte er für von Doppelmoral gekennzeichnet und inkonsequent. Die Außenministerin sei zwar eine Grüne, aber die Grünen seien Teil der Regierung – und die SPD sei das eben auch.
Baerbock versteht unter feministischer Außenpolitik unter anderem eine rigorosere Gangart gegenüber Ländern, die Rechte von Frauen unterdrücken. Diesen Kurs zu halten, wird schwierig, sofern entsprechende Länder über große Energiereserven verfügen.
Kosbau erklärt, er könne schwerlich als Ortsvorsitzender der SPD den Leuten vor Ort sagen, er halte vieles in der Bundespolitik für falsch. Auch deshalb sei es für ihn nur konsequent aufzuhören.
Im Vorfeld der hessischen Landtagswahl im Oktober war es im SPD-Unterbezirk Bergstraße zu einer Kampfabstimmung gekommen. Es ging darum, wer Kandidat der SPD wird, Simone Reiners aus Heppenheim oder der Viernheimer Michael Kosbau. Kosbau hat verloren. „Das hat mit meiner Entschluss auszutreten nichts zu tun. Ich akzeptiere demokratische Entscheidungen“, beantwortet Kosbau die entsprechende Frage dieser Redaktion.
Der 30-Jährige studiert Politik und Philosophie, demnächst will er sich ein neues Standbein in der Gastronomie schaffen. Politik – Tschüss für immer? „Nein, ich schließe nichts aus. Ich bleibe ein politischer Mensch.“ Irgendwelche Favoriten? „Dafür ist es viel zu früh.“
Kosbau gibt an, er wisse nicht, warum die Mitgliederversammlung nicht öffentlich war. Er verweist auf seine ehemalige Co-Vorsitzende Nurcan Erdogan, die jetzt alleinige Vorsitzende ist. Nur ist diese telefonisch nicht erreichbar.
Für die Europawahlen 2024 hat die Mitgliederversammlung, so ist der Pressemitteilung zu entnehmen, die Delegierten gewählt. Es sind Nurcan Erdogan, Sahime Dirican, Peter Klotz, Alfred Schmidt, Horst Winkenbach, Susanna Garbo, Armin Pajung, Günther Nolte und Marco de Pasquale.
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