Ute Hahnenberger
Viernheim. Sandra Wieland vollendet das familiäre Mädche-Trio: Kommenden Samstag wird sie nach ihren Schwestern Katrin und Anika als Dritte der Wielands den weiblichen Part des Kerwepaares übernehmen. Ihren Borscht hat die 22-Jährige ebenfalls schon im realen Leben gefunden - seit knapp fünf Jahren ist Sandra mit dem 32-jährigen German Diesterweg zusammen.
Da war der Weg zum Kerwepaar für die beiden traditionsbewussten Vernemer eigentlich vorherbestimmt. Mehrmals waren sie gefragt worden, doch German schlug das Angebot, den Borscht zu spielen, in der Vergangenheit immer wieder aus. Für Sandra ist der einwöchige Ausnahmezustand als Symbolfigur der Kerwe dagegen "eine Herzensangelegenheit". Und nach seiner Einwilligung bewertet auch German das besondere Ereignis, bei dem er in Zimmermannskluft die Hauptrolle spielen darf, mittlerweile als "feine Sache". "Auch wenn ich den Text des Kerwegedichts noch nicht ganz auswendig kann", gibt er offen zu.
Borscht aufgeregter als Mädche
Bis zum großen Tag muss er also noch ein bisschen üben, damit die Zeilen vor der "Kerweblos" fehlerfrei sitzen. Vom Domizil seiner Zwillingsschwester, die ebenfalls schon Mädche war, macht sich German in der Römergartenstraße auf, um Sandra im gemeinsamen Zuhause in der Joseph-Haydn-Straße abzuholen. Sandra übernimmt in dieser Beziehung wohl den leichteren Part: Sie muss vom Balkon über die Leiter zu ihrem Holden hinabsteigen. Für die gelernte Schornsteinfegerin, die in Mannheim als einzige Frau auf Fegetour geht, ist das sogar im Dirndl keine große Sache.
Da war der Kauf des festlichen Gewandes schon schwieriger: "Ich dachte nicht, dass es hier in der Region so kompliziert ist, ein schönes Dirndl zu erwerben. Mein Chef frotzelte schon, ich solle doch nach München fahren." Schlussendlich fand sie in einem Mannheimer Kaufhaus noch ein einsames, hübsches Reststück im Sonderverkauf bei den "Oktoberfestmoden".
Haben beide ihre geistige beziehungsweise körperliche Aufgabe erledigt, geht es direkt zum gemütlichen Teil über: Der Fassträger bietet Schnäpse und Häppchen an. Gemeinsam mit den Herolden zieht das Paar dann über Königsacker, Annastraße und Molitorstraße zum Apostelplatz, an dem Sandra und German symbolisch die Kerwe - Kuchen und Wein - aus einem Sandhaufen ausgraben müssen: Damit ist das Fest, dessen später Termin im Jahr auf die Weihe der ältesten Viernheimer Kirche, St. Marien, zurückgeht, offiziell eröffnet.
Die darauffolgende Woche bis zur Nachkerwe bei den Zwiwwelgroinern in der Wasserstraße, bei der die symbolischen Utensilien wieder vergraben werden, steht dann ganz im Sinne des Brauchtums: Am Eröffnungstag präsentiert sich das Kerwepaar bei einem Rundgang durch die Budenstadt, abends wird im Deutschen Kaiser kräftig gefeiert. Sonntags findet in St. Hildegard ein Kerwe-Gottesdienst statt, danach wartet die Straußenwirtschaft bei Familie Kahnert in der Luisenstraße mit gutem Essen und Trinken in geselliger Runde. Bereits traditionell öffnen am Sonntagnachmittag von 13 bis 18 Uhr die Geschäfte der Innenstadt. Die 26 Buden und Fahrgeschäfte auf dem Apostel- und Rathausparkplatz locken mit Köstlichkeiten und rasanten Attraktionen für eine gesamte Woche in die City.
Und da die Kerwe selbstverständlich auch über das Eröffnungswochenende hinaus mit Kneipenbesuchen gefeiert wird, hat das Paar schon mal vorgesorgt: Sandra hat sich zwei Tage freigenommen, German muss die gesamte Woche nicht nach Schönaich, wo er normalerweise als Maschinenbauingenieur beschäftigt ist. Doch auch nach dem Ende der Kerwe müssen die Viernheimer nicht lange Trübsal blasen: Glücklicherweise schließt sich die beginnende Fastnachtssaison nahtlos an. Auch Kerwemädche Sandra, die schon Prinzessin bei den "Großen 3" war, ist dann wieder mit von der Partie.
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