Freizeit

„Niemand will sich über längere Zeit an ein Amt binden“

Weil Mitgliederschwund und fehlende Helfer Viernheimer Vereinen immer mehr zu schaffen machen, wollen viele jetzt verstärkt auf Elternarbeit setzen

Von 
Othmar Pietsch
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Harald Hofmann vom Amt für Kultur, Bildung und Soziales nimmt Anregungen für das nächste Treffen auf. © Othmar Pietsch

Viernheim. Gut 20 Vereinsvertreter hatten sich in der alten TSV-Halle zum Vereinsfrühschoppen eingefunden, um mit anderen Vorständen und der Stadtverwaltung die spezifischen Probleme anzusprechen. Die größten Sorgen bereitet Viernheimer Vereinen der Mitgliederschwund, was viele als Gefahr für die Zukunft ansehen.

Harald Hofmann vom Amt für Kultur, Bildung und Soziales leitete die Veranstaltung, bei der es auch um die Herausforderung speziell während und nach Corona ging. Wie sieht es mit der Motivation der Helfer aus, wie war der Austausch mit den Mitgliedern und wie kann man diese in die Vereinsarbeit einbeziehen? Diese Fragen wurden erörtert, und auch die bestehenden Strukturen in den Vorständen wurden angesprochen – und wie sie sich verbessern lassen. „Es ist sicher nicht förderlich, wenn alles am Ersten Vorsitzenden hängt, und das noch über Jahrzehnte“, sagte Hofmann.

Tatsächlich ist in den Vorstandsgremien und auch bei den Mitgliedern eine Überalterung festzustellen. Es sei aber auch schwierig, jüngere Menschen zur Mitarbeit zu bewegen. „Die Gesellschaft und das Freizeitverhalten haben sich eben verändert. Da will sich niemand über längere Zeit an ein Amt binden“, so die Aussagen von mehreren Vereinsvertretern.

Focus hat schon neue Wege beschritten und die klassischen Vorstandsämter abgeschafft. „Wir arbeiten intern nur noch projektbezogen mit bestimmten Verantwortlichen an der Spitze, das hat sich auch gut bewährt. Nur im Außenverhältnis wurden wegen des Vereinsrechts Ämter besetzt“, beschreibt Manfred Weidner die Vorgehensweise, bei der die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt ist.

Die verschiedenen Organisationen in Viernheim sind allerdings recht unterschiedlich aufgestellt, Sportvereine, Chöre, Parteien oder Sozialverbände können nicht miteinander verglichen werden. Viele Clubs betreiben intensiv Jugendarbeit, was besondere Anforderungen nötig macht. „Es fehlt immer mal wieder an guten Übungsleitern aus den eigenen Reihen, denn im Training und Spielbetrieb werden das Sozialverhalten und die Verbundenheit zum Verein gefördert“, beschreibt Peter Hoffmann, Vorsitzender des TSV Amicitia, die Lage bei den Mannschaftssportarten.

Hier kam das Thema Elternarbeit ins Gespräch, dem sich einige Verein künftig besonders widmen möchten. Dabei geht es um die Frage, wie sich der Verein der Eltern annimmt. „Wir sind fast zu einer Kinderaufbewahrungsanstalt geworden. Die Eltern bringen ihren Nachwuchs zum Training und fragen, wann sie ihn wieder abholen können. Das war es dann schon an Kontakten“, beklagt Eckhard Scholz vom Judoclub. „Wenn wir aber Leute für Veranstaltungen oder Fahrten zu Meisterschaften brauchen, sieht es mau aus.“

Bürgermeister Matthias Baaß sieht weitere Herausforderungen auf die Vereine zukommen, gerade was den Energieverbrauch angeht. „Da ist natürlich auch die Stadt mit ihren Gebäuden und Anlagen gefordert. Es steigen aber nicht nur die Energiekosten; wer bauen will, muss ebenfalls mit erheblichen Steigerungen rechnen.“ Das Stadtoberhaupt nutzte den Vereinsfrühschoppen auch dazu, den Teilnehmern das Projekt „Viernheimer Vermächtnis“ vorzustellen, bei dem Bürger mit Erbschaftsspenden zugunsten lokaler Organisationen Spuren in der Stadt hinterlassen können (Informationen unter www.viernheim.de/viernheimer-vermächtnis.de).

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