Viernheim. Eigentlich hatte Rúnar Emilsson schon vor der Corona-Krise die Möglichkeit des Homeoffice vorgeschlagen. Das ist nur zu verständlich. Der Leiter der Städtischen Musikschule Viernheim erfüllt nicht nur Verwaltungsaufgaben für die Musikschule, sondern organisiert auch kulturelle Events wie Ausstellungen mit musikalischer Begleitung: „Mit dem Laptop ist man beweglich und flexibel.“ Nun ist er jedoch erst einmal froh, dass die Schüler mit ihrer Musik präsent an ihre Musikschule zurückkehren. Und doch! Aus der Krise wird er Innovationen in die Zukunft mitnehmen, unter anderem ein neues Musik-Angebot, bei dem die Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden. Er sagt: „Wir machen den Spagat zwischen Tradition und Neuem – dafür braucht es eine Offenheit.“
Die Städtische Musikschule Viernheim ist vor 58 Jahren entstanden, der Träger ist die Stadt Viernheim. Emilsson ist dankbar: „So stand in der Corona-Krise der Bestand der Musikschule nie in Frage.“ In der Krise haben Lehrkräfte, Schüler und Eltern rasch reagiert und sich auf den Online-Unterricht eingestellt. Manchmal brachten Eltern die Geige ihrer Kinder extra zum Stimmen zur Musikschule und eilten dann nach Hause, damit ihre Kinder den Online-Unterricht mit einem gestimmten Instrument beginnen konnten.
Einbußen durch Corona
Dennoch musste die Schule natürlich Einbußen hinnehmen. Angebote für Orchester und Chor waren nicht möglich. Normalerweise bieten die Lehrkräfte an sieben Kindertagesstätten eine musikalische Früherziehung für Kinder ab vier Jahren an. Mit Schließung der Einrichtungen fanden diese Kurse nicht mehr statt. Emilsson erklärt: „Es braucht Zeit, bis diese Kurse wieder angenommen werden.“ Auch die Känguru-Gruppen für Eltern mit Kindern ab dem ersten Lebensjahr laufen jetzt wieder an.
Die musikalische Früherziehung ist von Bedeutung, denn sie zeigt Eltern und Kindern gleichermaßen ganz praktisch die Freude am aktiven Musizieren. Die Zwangspause ist nun zu spüren, denn es melden sich weniger Kinder für die Folgeangebote an. Beliebt sind dennoch wieder die Schnupperkurse, bei denen die Kinder drei Instrumente der eigenen Wahl sechs Monate ausprobieren können. Am beliebtesten ist die Gitarre. Emilsson: „Man kann sie leicht transportieren und gut in der Gruppe spielen.“
Beim Einzelunterricht steht das Klavier mit 150 Schülerinnen und Schülern an der Spitze. „Das Klavier hat eine lange Tradition“, so Emilsson. Aber auch hier ist die Gitarre mit rund 100 jungen Musikern beliebt. Instrumente wie Harfe, Blockflöte, Querflöte oder Schlagzeug – das mit einem elektronischen Instrument zuhause lautlos geübt werden kann – werden gerne gespielt. Einen neuen Trend setzen vor allem Mädchen, die sich nach Fernsehsendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ zum Gesangsunterricht anmelden. Das Akkordeon steht ebenfalls auf dem Programm.
Im Moment entsteht ein neues Angebot: Vor allem Jugendliche mit Interesse an Rock und Pop werden erkunden, wie sie die Möglichkeiten des Computers für eigene Kompositionen und Musik-Aufnahmen nutzen können. Emilsson: „Die neue Technik gehört zur Welt der Jugendlichen. Da wollen wir sie unterstützen.“
Emilsson selbst ist in einer musikalischen Familie in Island aufgewachsen. Nach dem Musikstudium in Reykjavik kam er zum Zweitstudium nach Deutschland. Nach einer weiteren Fortbildung übernahm er mehrfach die Aufgaben eines Schulleiters. Seit acht Jahren leitet er die Musikschule Viernheim.
Musizieren als persönliches Glück
Er spielt Klavier und Akkordeon: „Das Musizieren bedeutet für mich persönliches Glück. Zuerst mache ich Musik für mich und meine eigene Zufriedenheit. Erst danach kommt die Bedeutung des Vorspiels vor Publikum.“ Bei der Organisation von Events achtet er darauf, dass lokale Künstlerinnen und Künstler Chancen erhalten. Er lächelt: „Wir haben gute Angebote. Da braucht sich Viernheim nicht hinter Mannheim oder Heidelberg zu verstecken.“
Info: Nähere Infos unter www.musikschule.viernheim.de
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