Viernheim. „Ich bin dann mal weg.“ „Bis später, Schatz.“ So - oder so ähnlich - könnte sich vor wenigen Wochen in der Nacht von Freitag auf Samstag der kurze Dialog im Hause der Viernheimer Familie Linhoff abgespielt haben. Die Uhr zeigte gerade 2 Uhr.
Mike Linhoff, 53 Jahre alt, Außendienstmitarbeiter, hatte sich gerade die Wanderschuhe zugeschnürt und auf den Weg gemacht, um zu Fuß zum Spiel des Fußball-Landesligisten TSV Amicitia Viernheim beim TSV Kürnbach aufzubrechen - 76 km Strecke, insgesamt 1000 Höhenmeter, ausgestattet mit einer Tracking-App sowie mit einer Taschen- und Stirnlampe.
Großes Projekt ist der Jakobsweg
„Es war teilweise unheimlich im Dunkeln. Von Viernheim bis Leimen bin ich gerade mal zwei Menschen begegnet“, berichtet Linhoff. „Einer kam gerade vom Feiern zurück und der andere ist mir unbeleuchtet in völliger Dunkelheit begegnet und hat sich über mich beschwert, dass ich ihn geblendet hätte.“
Seit eineinhalb Jahren hat er es sich zum Ritual - fast schon zum Markenzeichen - gemacht, die Auswärtsspiele der Südhessen zu Fuß zu besuchen. „Mein erstes Spiel war in Gartenstadt. Das waren sieben Kilometer, das lief ganz gut“, sagt er.
Sein großes Ziel ist es, den Jakobsweg über die kompletten 800 Kilometer zu laufen. Die Viernheimer Ligaspiele sieht er somit als sein persönliches Trainingslager an.
Als der TSV Amicitia noch in der A-Klasse und Kreisliga spielte, waren die Etappen zumeist eine gute Laufeinheit. „Manchmal, wenn es 20 Kilometer waren, bin gefragt worden, ob ich überhaupt warmgelaufen bin“, erzählt Linhoff lachend.
Die 76 Kilometer nach Kürnbach waren jetzt aber das weiteste - da bin ich auch an meine Grenzen gestoßen
In der ganzen Zeit hat er erst vier Spiele nicht angelaufen, jedes Mal war er im Urlaub oder erkrankt. Zuletzt beim Spiel in Heidelberg-Kirchheim hatte ihn ein Infekt zur Anreise mit dem Auto gezwungen.
Mit dem Landesliga-Aufstieg sind die Strecken größer geworden, das Anforderungsprofil und sein Anspruch haben sich demnach gesteigert. „Die 76 Kilometer nach Kürnbach waren jetzt aber das weiteste - da bin ich auch an meine Grenzen gestoßen“, gesteht Linhoff.
Im Ziel zum 55. Geburtstag
Pünktlich um 17 Uhr zum Anstoß der Partie - nach 15 Stunden Fußmarsch - hatte er das Stadiontor passiert. Der TSV Amicitia belohnte ihn mit einem 3:0-Sieg. Für die Rückreise nahm er dann die Fahrdienste seiner Frau in Anspruch, die die Strecke mit dem Auto absolviert hatte. „Sie sagt, ich wäre bekloppt“, gesteht Linhoff, der diese Aussage aber mit Humor nimmt.
Überhaupt ist Linhoff ein bodenständiger Mensch, ein ehrlicher Typ, der nicht alles auf die Goldwaage zu legen scheint. Er tut es für sich und sein Ziel. „Ich mache den Jakobsweg nicht aus religiösen Gründen, sondern ich will mir eine Auszeit nehmen und sehen, wie belastbar ich bin“, so der 53-Jährige.
Hoffen auf sportliche Erfolge
Der Start soll im Mai nächsten Jahres sein. Zu seinem 55. Geburtstag am 17. Juni 2024 will er das Ziel erreicht haben.
Bis dahin gehen aber noch einige Spiele des TSV Amicitia ins Land, und mit Sicherheit wird auch noch der eine oder andere Satz Schuhwerk dran glauben müssen. „Bisher habe ich drei Paar Schuhe verschlissen“, berichtet er.
Mit dem bisherigen Abschneiden der Südhessen, in deren Kader auch sein Sohn Jason steht, in der Landesliga Rhein-Neckar ist er insgesamt zufrieden. „Das ist schon eine recht junge Mannschaft, die es im Grunde nicht schlecht macht. Uns fehlt einfach ein Stürmer“, sagt Linhoff.
An eine Rückkehr in die Verbandsliga, in der die Viernheimer viele Jahre lang eine ordentliche Rolle gespielt haben, will er daher noch nicht denken. „Wenn das aber mal so käme, dann hätte ich ein Problem. Die Strecken sind da schon etwas länger“, sagt er schmunzelnd.
Dass er irgendwann selbst zu Heimspielen noch größere Strecken auf sich nehmen muss, das schließt er aktuell aus. „Jason ist ein Viernheimer Junge und ich gehe nicht davon aus, dass er weggeht“, sagt Linhoff.
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