Viernheim. Unter der Oberfläche versteckte kulturelle und historische Widersprüche gehören zu den Kernthemen von Adida Abou-Chamat. Eine Ausstellung mit dem passenden Titel „Below The Surface“ der 1957 in München als Tochter eines syrischen Vaters und einer deutschen Mutter geborenen Künstlerin ist noch bis zum 3. Oktober im Kunsthaus zu sehen. Schon im Jahr 2000 – daran erinnerte der Vorsitzende des Kunstvereins Fritz Stier bei der Eröffnung – sorgte eine Ausstellung von Abou-Chamat im Gewölbekeller für einige Irritationen. Damals präsentierte sie Fotos von Menschen in Badekleidung, die aus rohem Fleisch bestand.
Mit ihren Fotos, Videos, Zeichnungen, Installationen, Skulpturen und Assemblagen will die Künstlerin bewusst den Finger in die Wunde legen und auf Vorurteile und Ausgrenzungen aufmerksam machen. Einen Teil ihrer Kindheit verbrachte sie mit der Familie in Saudi-Arabien, wo sie nach eigener Aussage viele Erfahrungen mit diesen Themen sammeln konnte. Später studierte sie zunächst Ethnologie in München und Bildende Kunst in Schottland. Das dadurch gewonnene Wissen vertiefte sie durch Studiengänge in England und in den USA. Ihre erste Einzelausstellung war 1988 in Ashford, Großbritannien. Seitdem hat Abou-Chamat zahlreiche Stipendien und internationale Preise erhalten.
In seiner Einführung nannte Kunstvereinsvorsitzender Fritz Stier die Bilder und Installationen „sehr provokativ“. Abou-Chamat sei mit ihren Kunstwerken immer ihrer Zeit voraus gewesen. Ausführlich interpretierte danach die Kunsthistorikerin Pamela Pachl, die am Ludwigshafener Ernst Bloch Zentrum für Kulturmanagement und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, das Werk der Künstlerin. „Wenn man diese Arbeiten sieht, macht es erst einmal Bäm! Da rattert und klappert das Gehirn.“
Es gehe Abou-Chamat um die Auseinandersetzung mit und das Hinterfragen von Rollenbildern, Klischees und Vorurteilen. Das veranschaulichte Pachl an drei ausgewählten Kunstwerken. Das erste war die Fotoreihe „Dreamimg Of...“, deren erstes Bild auch das Plakat zur Ausstellung bildet. Sie zeigt eine junge Frau im arabischen Überkleid Abaja und mit Gesichtsschleier Niqab, aber in Ballettschuhen, die Posen des klassischen Balletts vollführt. Hier treffen laut Pachl Rollenbilder und Vorstellungen über Orient und Okzident aufeinander, die man nicht erwartet hätte.
Gleiches gelte für das Video „Desire“, in dem zwei ebenfalls verschleierte Frauen miteinander Tango tanzen. Als drittes Werk hatte sich Pachl das Bild „Bittersweet“ herausgesucht: Hier erinnern Schokoladenhände, eine Spezialität aus Antwerpen, an die grausamen Geschehnisse im Kongo unter der Herrschaft des belgischen Königs Leopold II.
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