Viernheim. Unter dem Titel „Max ist Marie“ präsentiert die Fotografin Kathrin Stahl zurzeit in der Kulturscheune Porträts transidenter Menschen. Für die Vernissage wählte die Stadt ganz bewusst den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (Idahobit). Am 17. Mai 1990 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen, Homosexualität von ihrer Liste der Krankheiten zu streichen. „Idahobit“ gibt es seit dem Jahr 2005. An dem Aktionstag finden unter anderem Demos und Flashmobs statt.
Die Schwarzweiß-Bilder von Kathrin Stahl zeigen Menschen unterschiedlichen Alters. Auf den ersten Blick könnte der Betrachter denken, es geht allgemein um Porträts, die mit einem sensiblen Auge fotografiert wurden. Neben den Fotos hängen Statements der Personen. Und diese stimmen nachdenklich. Teilweise klingen sie erschütternd: „Nach meinem Outing fragte mich meine Chefin: Bist du dann jetzt schwerbehindert?“ Aber es gibt auch ermutigende Sätze: „Ich bin eigentlich ganz glücklich damit, wie das läuft. Und wenn mal nicht: Krone richten und weiter.“ Kathrin Stahl stammt aus Heddesheim und lebt in Hamburg. Sie fotografiert seit 19 Jahren. Das derzeitige Projekt entstand 2014 und lief über zwei Jahre. Zu der Ausstellung in Viernheim kam sie über Kontakte zur Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti), ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Belange betroffener Menschen einsetzt und ihnen Unterstützung bietet.
Unterstützung für Familien
Sie erinnere sich noch an die Begegnungen mit den Menschen auf den Bildern, berichtet Stahl. „Unsere Tochter Marie, von der wir 19 Jahre lang geglaubt hatten, sie wäre ein Junge, war ein Mädchen. Es ist ungewöhnlich, wenn der Sohn plötzlich im Minirock auf die Straße geht.“ Marie ist inzwischen 30 Jahre alt und verheiratet. Auch ihr Foto ist Teil der Ausstellung, mit der die Fotografin „die Herzen und die Gedanken weiter machen“ möchte. Ein Teilnehmer, den Kathrin Stahl fotografiert hatte, wollte nicht, dass sein Bild in der Ausstellung gezeigt wird, da er Angst hatte, erkannt zu werden.
Erst Jahre später gestand Stahl sich ein, dass die damalige Zeit schwer für die Familie gewesen war. Daher arbeitet sie nun als Coach, um andere betroffene Familien zu unterstützen. „Wir brauchen Liebe“, betont sie mehrfach in ihrer Begrüßungsrede. „Wir haben heute die Regenbogenfahne gehisst“, sagt Erster Stadtrat Jörg Scheidel. „Wir möchten, dass die Viernheimer Bevölkerung besser über das Thema informiert wird. Die Bilder betonen die Normalität, die Texte stimmen nachdenklich.“
Ilka Kaufmann von der dgti-Beratungsstelle Rhein-Neckar in Mannheim schaut sich den Begriff „Phobie“ etwas näher an. „Es ist keine Phobie, sondern eine Queer-Feindlichkeit. Und woher kommt sie? Von Vorurteilen und Unwissenheit. Wir können nur aufklären. Die Menschen werden durch die Bilder sichtbar, sie haben Glück erfahren, weil sie den Weg gegangen sind. Unsere Existenz muss zur Selbstverständlichkeit werden. Wir existieren mitten in der Gesellschaft.“ Laut Kaufmann merken die Menschen oft nicht, wenn sie einer transidenten Person gegenüberstehen. Zur dgti-Beratungsstelle kämen Betroffene selbst, aber auch deren Eltern. Man könne nicht sagen, in welchem Alter die Menschen durchschnittlich aufmerksam würden. „Aber die Eltern und Erzieher haben einen Blick dafür. Manche Kinder merken es schon mit vier Jahren“, sagt Kaufmann.
Info: Die Ausstellung „Max ist Marie“ ist noch bis zum 11. August in der Kulturscheune zu sehen. Initiatoren sind die Gleichstellungsbeauftragte und der Verein Lernmobil. Die dgti-Beratungsstelle Rhein-Neckar, Weberstraße 9 in Mannheim, ist unter der Telefonnummer 0621/87 06 37 58 zu erreichen.
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