Verkehr

Kampagne gegen Gehwegparken zeigt erste Erfolge – Stadt Viernheim zieht Zwischenbilanz

Nach vier Monaten zieht Viernheim eine positive Bilanz zur Aktion „Alle brauchen Platz!“. Doch Engstellen wie in der Waldstraße zeigen, dass Herausforderungen bleiben – etwa beim Müllabtransport.

Von 
Wolfram Köhler
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Weil ein Fahrzeug der Müllabfuhr zuletzt nicht mehr durchkam, dürfen Autofahrer ihren Pkw in der Waldstraße momentan nur noch einseitig abstellen. © Bernhard Kreutzer

Viernheim. Bereits nach vier Monaten, und damit früher als geplant, zieht die Stadt Viernheim eine Zwischenbilanz ihrer Kampagne gegen das Gehwegparken. Grundsätzlich kommt sie dabei zu einem positiven Ergebnis: Laut Bürgermeister Matthias Baaß steigt das Bewusstsein der Menschen für die Belange der Fußgänger. Die Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung nähmen ab. Erster Stadtrat Jörg Scheidel weist im Gespräch mit dieser Redaktion aber auch auf „Herausforderungen“ hin, die mit der Aktion unter dem Titel „Alle brauchen Platz!“ verbunden sind. Auf diese möchte die Verwaltung aufmerksam machen – und um Verständnis bei den zum Teil verärgerten Bürgern werben.

Als Beispiel für die „schwierigen Situationen“, auf die das Ordnungsamt immer wieder stoße, nennt der zuständige Dezernent die Waldstraße. Die Autofahrer hielten sich dort beidseitig an die geforderte Gehwegbreite von 1,30 Meter und stellten ihre Pkw mit dem entsprechenden Abstand zur Hauswand ab. Die Konsequenz: Auf der Fahrbahn war die Mindestbreite von 3,50 Meter nicht mehr gegeben, sodass die Müllabfuhr stecken blieb.

Für die Stadtpolizei stellt sich in einem solchen Fall die Frage: Wer kam zuletzt und ist somit für den Engpass verantwortlich? Doch das sei oft nicht herauszufinden. „Zur Not bekommen dann beide einen Strafzettel“, erklärt Scheidel die Regel, über die er selbst nicht glücklich ist. „Es muss klare Situationen geben, die Leute müssen sicher sein können, dass sie keinen Strafzettel bekommen.“ Um Klarheit zu schaffen, entschied die Stadt, in zwei Abschnitten einseitig Halteverbotsschilder aufzustellen. Ein Bußgeld wurde nicht verhängt.

Zusätzliche Schilder in der Wald- und der Kirschenstraße

Gezielt reagiert hat die Verwaltung bereits vor Wochen auch in der Kirschenstraße, wo das Durchkommen des Stadtbusses nur noch eingeschränkt möglich war. Die Stadt platzierte dort zunächst mobile Halteverbotsschilder auf der östlichen Fahrbahnseite. Sie sollen demnächst durch eine dauerhafte Beschilderung auf der gegenüberliegenden Seite ersetzt werden. Auf diese Weise fielen weniger Parkplätze weg, erklärt Scheidel das Vorgehen. Und dennoch könnten so die Vorgaben erfüllt werden.

Im Zuge der Kampagne nimmt die Stadtpolizei das Parkverhalten der Autofahrer in insgesamt elf Quartieren in den Blick. In den ersten beiden Wochen informieren die Bediensteten die Bürger üblicherweise mit Plakaten und Hinweiszetteln über die Regeln. In der zweiten Monatshälfte drohen Bußgelder. Im aktuell überprüften Quartier 4, das sich zwischen Lorscher Straße und Landesstraße 3111 befindet, wurde der Zeitraum, in dem informiert wird, auf einen ganzen Monat ausgedehnt. „Damit wird die Phase der Umstellung und Eingewöhnung auf die neue Situation länger“, betont die Stadt. Im Juli sollen in dem Gebiet bei Bedarf dann aber doch Knöllchen verteilt werden. Erst im August nimmt das Ordnungsamt dann ein neues Quartier ins Visier.

Rechtliche Situation

  • Regelwidriges Parken auf dem Gehweg wird mit einem Verwarnungsgeld von 55 Euro bestraft. Kommt es zu einer Behinderung, oder steht das Auto länger als eine Stunde an der Stelle, wird ein Bußgeld von 70 Euro fällig. Außerdem gibt es einen Punkt in Flensburg.
  • Grund für die städtische Kampagne „Alle brauchen Platz!“ ist ein Gerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr: Anwohner dreier Straßen in Bremen hatten geklagt, um das Parken von Fahrzeugen auf den Gehwegen vor ihren Wohnungen zu unterbinden.
  • Das Bundesverwaltungsgericht entschied letztinstanzlich: Es reicht nicht aus, wenn die Straßenverkehrsbehörde darauf verweist, dass das Gehwegparken generell verboten ist. Stattdessen hat sie die Pflicht, in einer angemessenen Form einzuschreiten.
  • Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) sind Fußgänger dazu verpflichtet, die Gehwege zu nutzen. Auf der Fahrbahn dürfen sie sich nur bewegen, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat.
  • Kinder unter acht Jahren müssen, Acht- bis Zehnjährige dürfen mit ihrem Fahrrad den Gehweg befahren . Werden unter Achtjährige begleitet, darf die Aufsichtsperson den Fußgängerweg ebenfalls mit dem Rad nutzen.
  • Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Aktion gibt es auf der Internetseite viernheim.de/allebrauchenplatz.

Scheidel zufolge wollen die zuständigen Ämter künftig schon vorab analysieren, wo in einem Gebiet sich Probleme auftun könnten. Möglicherweise würden dann direkt Maßnahmen ergriffen. Schwierigkeiten, wie sie mit der Müllabfuhr aufgetreten sind, und die daraus folgende Kritik der Bürger will die Verwaltung möglichst vermeiden. Der Erste Stadtrat weist aber auch darauf hin, dass sich viele Menschen ärgerten, weil angeblich generell weniger Parkraum zur Verfügung stehe. Dies sei aber nicht korrekt.

Gerichtsurteil bringt Kommunen unter Zugzwang

Viele der bislang genutzten Flächen seien nie Parkraum gewesen, nur „wegen der allgemeinen Duldungspraxis“ hätten Autofahrer in der Vergangenheit dort ihre Fahrzeuge abgestellt. „Jetzt wollen wir den Verkehr ordnen“, beschreibt der Dezernent die Idee der Viernheimer Kampagne. Viele andere Kommunen würden nach und nach den gleichen Weg beschreiten. Durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni 2024 sieht sich die Stadt dazu verpflichtet, aktiv gegen das Gehwegparken vorzugehen.

Ziel der seit März laufenden Aktion ist es, auf die Bedürfnisse von Fußgängern, Eltern mit Kinderwagen oder Senioren mit Rollatoren einzugehen. Nach den Erfahrungen des Ordnungsamts fällt es ihnen oft schwer, zwischen Hauswänden und Pkw hindurchzukommen. Gleichzeitig sei darauf zu achten, dass gerade Rettungsfahrzeuge auf den teils engen Straßen der Stadt freie Fahrt haben. Nach der Überprüfung von insgesamt vier Quartieren kommt Bürgermeister Baaß zu dem Schluss: „Die Zahl der Fahrzeuge, an denen Hinweiszettel angebracht werden mussten, ist deutlich zurückgegangen.“

Auch Scheidel zeigt sich zufrieden: „Nicht wenige Bürgerinnen und Bürger haben sich Gedanken gemacht, wie sie ihr Auto anders unterbringen können – und so dazu beigetragen, dass Kinder, Senioren und mobilitätseingeschränkte Menschen wieder sicherer unterwegs sein können.“ Der Erste Stadtrat wünscht sich von den Verkehrsteilnehmern, Eigenverantwortung zu übernehmen. „Das funktioniert erfreulich oft, auch wenn es mit Aufwand verbunden ist.“

Mit einem Messgerät überprüft ein Bediensteter der Stadtpolizei, ob der Autofahrer genug Platz auf dem Gehweg freigelassen hat. © Berno Nix

Aus der Bevölkerung kam nach Angaben der Stadt der Vorschlag, Privatgaragen stärker zu kontrollieren, da diese oft zweckentfremdet genutzt würden. Doch Matthias Baaß stellt klar: „Das dürfen und wollen wir nicht. Wir möchten nicht in den privaten Lebensraum eingreifen, sondern setzen auf die eigene Einsicht.“ Problematisch ist es laut Baaß, wenn gemäß Bebauungsplan vorgesehene Stellplätze auf privaten Grundstücken nie gebaut wurden. Das habe dann automatisch zur Folge, dass zusätzliche Fahrzeuge auf der Straße stünden.

Bürgermeister für zusätzliche Umbaumaßnahmen

Den Vorwurf von Bürgern, die Stadt habe selbst bei Neubauten in der Innenstadt zu wenige Stellplätze vorgesehen, weist Scheidel zurück: „Unsere von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Stellplatzsatzung ist streng. Und wir setzen sie konsequent um – oft zum Leid der Bauherren.“

Matthias Baaß berichtet, ihm fielen seit Beginn der Aktion immer mehr Straßen auf, in denen das Parken bereits per Markierung oder Beschilderung geregelt sei. „Dort ist die Anzahl der Fahrzeuge auf der Straße schon immer deutlich geringer, obwohl in der Straße oftmals nicht weniger Menschen leben als in anderen Straßen.“ Weitere Umbauten dieser Art, wie aus der Bevölkerung angeregt, seien perspektivisch sinnvoll, sagt der Bürgermeister.

„Das aber im ganzen Stadtgebiet hinzubekommen, wird viele Jahre dauern und auch nicht wenig Geld kosten.“ Der Verwaltungschef merkt an, dass dies „eine noch geringere Anzahl von Stellplätzen“ zur Folge hätte. Als Reaktion auf Rückmeldungen von Betrieben plant die Kommune, zunächst in den Gewerbegebieten Stellplätze durch neue Markierungen auszuweisen. Ziel sei die klare Abgrenzung zwischen Fahrbahn und Gehweg.

Die Stadt betont noch einmal, dass es keinen Anspruch auf einen öffentlichen Parkplatz gebe. Gleichzeitig ruft sie die Bürger dazu auf, private Stellplätze und Garagen zu nutzen – und sich über alternative Fortbewegungsmittel Gedanken zu machen. „Angebote wie Carsharing gewinnen an Bedeutung.“

Redaktion

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