Viernheim. „Warten Sie nicht zu lange, trauen Sie sich!“, lautete die Botschaft, die Andrea Winkler, Zuständige bei den Johannitern, allen Betroffenen und Angehörigen ans Herz legen kann. Die Johanniter, Regionalverband Bergstraße-Pfalz, bieten an ihrem Standort in Viernheim ab sofort ein Informations- und Unterstützungsangebot für pflegende Angehörige an. Der erste Info-Abend fand bereits statt, mit vielen Einblicken in ein Thema, das viele Menschen verdrängen oder lange vor sich herschieben.
Zur Veranstaltung waren 15 Interessierte gekommen, die zum Teil schon Angehörige pflegen und Fragen mitbrachten. Das Aufstehen fällt immer schwerer, die Tasten der Fernbedienung sieht man immer schlechter, und Treppen werden zu einer schier unüberwindbaren Hürde – spätestens dann sollte man sich eingestehen, dass man Hilfe braucht.
Viele Angebote
Die kostenlosen Gesprächsabende finden jeden zweiten Dienstag im Monat in den Räumen der Johanniter Viernheim statt, Johanniterplatz 1.
Der nächste Termin ist der 13. Mai , eine Anmeldung ist erforderlich. Die Anmeldung erfolgt über die Internetseite der Johanniter Bergstraße-Pfalz.
Zusätzlich bieten die Johanniter Kurse für eine Gruppengröße zwischen sechs und 15 Personen an. Beim Basiskurs lernt man etwas über die Körperpflege von Angehörigen , beim Spezialkurs über die Pflege von Menschen mit Krankheiten wie Demenz oder Parkinson .
„Beim geringsten Anlass sollte man den Mut haben, Fragen zu stellen, man kann nichts falsch machen. Wir Johanniter gehen auch mit Ihnen ins Gespräch, bevor etwas passiert“, so Winkler. Für Leute, die einen Antrag auf einen Pflegegrad stellen möchten, gilt: Der Anruf bei der Pflegekasse, die an die Krankenkasse angegliedert ist, ist der Beginn des Antrags, ab wann der Pflegegrad bewilligt wird. Darauf könne man bestehen bei der Krankenkasse. Wer im Krankenhaus liegt und zum Beispiel nach einer Operation Hilfe braucht, kann sich an den dortigen Sozialdienst wenden, der einen Antrag stellt. Die Krankenkasse schickt dann einen Gutachter vom medizinischen Dienst zum Patienten nach Hause.
„Lassen Sie ihren Angehörigen nie allein mit dem Gutachter“, riet Winkler. „Die Betroffenen sagen: Ich kann alles allein“, entgegnete jemand aus dem Publikum und erntete viel Zuspruch. Bei den Gutachtern handelt es sich um Ärzte oder Pflegefachkräfte. „Man kann dem Gutachter auch im Nachthemd aufmachen. Wenn alles geschniegelt ist, und die Putzfrau war vorher da, wirkt das, als brauche man keine Hilfe“, fügte Winkler hinzu.
Pflegegrad auch bei psychischen Erkrankungen
Die Gutachter schauen zum Beispiel darauf, wie die Betroffenen vom Stuhl aufstehen, Handy oder Fernbedienung benutzen. Die Einschätzung erfolgt in sechs Bereichen, von der Mobilität bis hin zur Gestaltung des Alltagslebens. Seit 2017 können auch Menschen mit psychischen Erkrankungen einen Pflegegrad bekommen, was auch junge Leute betreffen kann. Für alles, was dem Gutachter auffällt, kann er direkt nach der Entscheidung des Gutachtens Hilfsmittel beantragen, es ist kein zusätzlicher Antrag notwendig.
Fünf Pflegegrade gibt es, von geringen Beeinträchtigungen, bei denen nur Hilfe im Haushalt benötigt wird, bis hin zur Tag-und-Nacht-Betreuung. Die Leistungen der Pflegeversicherung reichen vom Pflegegeld über Sachleistungen bis hin zum Zuschuss für Umbaumaßnahmen, wie zum Beispiel ein barrierefreies Bad oder einen Lift. Den Hausnotruf der Johanniter gibt es bereits ab Pflegestufe eins. Beim Bezug von Pflegegeld hat der Betroffene Anspruch auf ein Beratungsgespräch mit dem Pflegedienst.
Bei Grad eins ist das Gespräch freiwillig, ab Grad zwei verpflichtend. „Es muss dabei jemand vom Pflegedienst nach Hause kommen, und das Gespräch muss bis zu einer Stunde dauern“, sagte Winkler. Auch für die pflegenden Angehörigen zahlt die Pflegekasse Schulungen in der Häuslichkeit, denn diese sind oft mit der Situation überfordert. Ein Mensch, den sie als aktiv und selbstbestimmt erlebt haben, braucht nun ihre Hilfe. Dabei lernen die Angehörigen zum Beispiel die richtige Lagerung bei bettlägerigen Personen.
Johanniter bieten Kurse und Gesprächskreise
Zusätzlich bieten die Johanniter Kurse für eine Gruppengröße zwischen sechs und 15 Personen an. Beim Basiskurs lernt man etwas über die Körperpflege von Angehörigen, beim Spezialkurs über die Pflege von Menschen mit Krankheiten wie Demenz oder Parkinson. Hinzu kommen die kostenlosen Gesprächsabende ab Mai für die pflegenden Angehörigen. Für jedes Bedürfnis und jeden Pflegegrad möchten die Johanniter ein Ansprechpartner sein.
„Pflegende Angehörige fühlen sich oft allein gelassen. Die Politik kümmert sich nicht. Die Pflegekasse ist zwar zuständig, deckt aber nur einen bestimmten Bereich ab. Es wird immer mehr gestrichen“, sagte Annette Kempf von den Johannitern. „Der Verein Wir pflegen e.V. ist eine Selbsthilfegruppe, denn Anträge sind oft eine zusätzliche Belastung für die Angehörigen. Das System würde zusammenbrechen, wenn sie sich nicht kümmern würden.“ Ein weiterer Verein, bei dem man sich Hilfe holen kann, ist der Sozialverband VdK. Nur nicht den Mut verlieren, das gaben Winkler und Kempf den Leuten mit auf den Weg: „Verschaffen Sie sich Klarheit und Ruhe. Sie müssen auf die Dienste zugehen. Trauen Sie sich zu sagen, was Sie bewegt. Wenn es mit dem einen Sachbearbeiter der Krankenkasse nicht klappt, geben Sie nicht auf.“
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