Bürgerbeteiligung

Ideen für drei Viernheimer Kirchen gesucht

Pfarrei Heiliger Johannes XXIII. und Stadt Viernheim stellen Zukunftsdialog unter dem Titel „Vertraute Orte – Neues Leben“ vor.

Von 
Wolfram Köhler
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Auf Ideen der Bürger für die künftige Nutzung von drei leerstehenden katholischen Kirchen hoffen Ursula Scheidel (v.l.), Angela Eckart, Timo Buff, Jörg Scheidel und Ronald A. Givens. Eine davon ist St. Hildegard in der Weststadt. © Bernhard Kreutzer

Der Ort ist mit Bedacht gewählt. In der Hildegardkirche – die wegen ihres schlechten baulichen Zustands – seit gut zwei Jahren geschlossen ist – stellt die Führungsriege der Pfarrei Heiliger Johannes XXIII. den Beteiligungsprozess „Vertraute Orte – Neues Leben“ vor. Die kostspielige Unterhaltung der Gotteshäuser bringt die katholische Gemeinde in immer größere Bedrängnis. Deshalb will sie nun gemeinsam mit der Stadt Viernheim und den Bürgern Ideen für die künftige Nutzung ihrer großen Immobilien entwickeln.

Neben St. Hildegard soll sich dieser Zukunftsdialog auch mit der Marien- und der Michaelskirche beschäftigen. Für Pfarrer Dr. Ronald A. Givens steht dabei schon zu Beginn fest: „Wir möchten uns aus der finanziellen Verantwortung für alle drei Räume verabschieden.“ Der Prozess könnte also mit dem Verkauf und der Profanierung der Kirchen enden. Die Apostelkirche bliebe als einzige katholische Kirche Viernheims erhalten.

„Das ist kein leichter, sondern ein schmerzlicher Weg“, sagt Gemeindereferentin Angela Eckart, die den Dialog koordiniert. Gleichwohl hofft sie, dass viele Menschen dabei mitwirken, Zukunftskonzepte für die verschiedenen Gebäude zu entwerfen. Laut der Pfarreiratsvorsitzenden Ursula Scheidel stehen alle Kirchen unter Denkmalschutz: „Sie dürfen nicht abgerissen werden.“ Mit dem nun beginnenden Prozess habe die Pfarrei die Möglichkeit, Einfluss auf die künftige Nutzung zu nehmen – auch wenn sie später nicht mehr im Besitz der Immobilien sei.

„Jetzt gibt es die Chance mitzumachen“, ruft auch Erster Stadtrat Jörg Scheidel dazu auf, die Bürgerbeteiligung mit Leben zu füllen. Ziel sei es, „Orte, die prägend waren, nicht dem Verfall zu überlassen“. Stattdessen gehe es um „Qualitätssicherung“. Scheidel zufolge wäre die spätere Nutzung einer Immobilie mit dem potenziellen Investor vertraglich festzulegen. Für die Stadt gilt es, die baurechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Gottesdienste nur noch in der Apostelkirche

Gesteuert wird der Beteiligungsprozess vom Planungsbüro Sippel-Buff in Stuttgart, das auch die Bürgerbeteiligung für das Baugebiet Nordweststadt II moderiert. „Es gibt keine Denkverbote“, betont Timo Buff bei der Vorstellung des mehrstufigen Verfahrens. Von der Kletterhalle über die Bibliothek bis hin zur Bar sei letztlich jede Form der Nutzung denkbar. Es gehe darum, sich über die Gebäude im persönlichen Umfeld Gedanken zu machen und Veränderungen anzustoßen. „Wir wollen einen offenen Dialog, alle Ideen sind willkommen“, sagt Buff. Möglicherweise werde sogar eine Überlegung, die jemand für eine Kirche habe, später in einer anderen verwirklicht.

Angebote zur Beteiligung

  • Beim Kirchenwandeln am 17. September informieren Pfarrei Johannes XXIII. und Stadt über den Beteiligungsprozess für die künftige Nutzung von Hildegard-, Marien- und Michaelskirche. Geplant ist dabei ein Rundgang durch die Gotteshäuser .
  • An die Auftaktveranstaltung schließt sich die Ideensammlung an. Ihre Vorschläge einreichen können die Bürger bis 26. Oktober über die Internetseite bistummainz.de/zukunftsdialog-viernheim oder mittels einer „Ideenkarte“.
  • Bei Marktgesprächen in der Innenstadt will sich das Moderationsteam Ende September oder Anfang Oktober mit den Bürgern über die künftige Nutzung der drei Gotteshäuser unterhalten.
  • Der Runde Tisch bereitet die eingehenden Ideen auf. Vorgestellt werden sie in einer Projektwerkstatt , die voraussichtlich im Februar 2026 stattfindet.
  • Vor den Sommerferien kommenden Jahres ist die Abschlussveranstaltung geplant. Der Runde Tisch stellt dann seine Empfehlung für die künftige Nutzung der Kirchen vor.

Die Grundlage für die Beteiligung der Öffentlichkeit haben Stadt und Gemeinde mit einer Absichtserklärung im vergangenen November gelegt. Sie dokumentiert ihre Bereitschaft, bei der erforderlichen Umwidmung der Kirchenimmobilien zusammenzuarbeiten. Grund ist der Strukturwandel in der Kirche: Die Mitgliederzahlen und Steuereinnahmen sinken. Immer weniger Menschen engagieren sich ehrenamtlich oder besuchen Gottesdienste.

Dadurch wurden im Rahmen des Pastoralen Wegs die einst vier Pfarreien zu einer großen zusammengeführt. Zum Gottesdienst versammeln sich die Gläubigen nunmehr ausschließlich in der Apostelkirche. Was aus den anderen Gotteshäusern wird, ist seit Langem unklar. Zwar gab es Überlegungen, in der Marienkirche eine Kindertagesstätte einzurichten oder St. Hildegard zur Pflegeeinrichtung zu machen. Beide Pläne wurden aber nicht weiterverfolgt. Geblieben ist allerdings die Vorgabe des Bistums Mainz, Einsparungen vorzunehmen.

Rundgang durch die Gotteshäuser geplant

Unter diesem Druck nimmt die Pfarrei Heiliger Johannes XXIII. nun gemeinsam mit der Kommune einen neuen Anlauf – um Zukunftsmodelle für die leerstehenden Kirchen zu entwerfen und gleichzeitig städtebauliche Akzente zu setzen. Geplant sind mehrere Beteiligungsformate, wie Timo Buff mitteilt. Den Auftakt bildet das Kirchenwandeln am 17. September. Mit dem Rundgang durch die Gebäude startet die Ideensammlung: Bis 26. Oktober können Interessenten ihre Vorschläge über die Internetseite bistummainz.de/zukunftsdialog-viernheim oder eine „Ideenkarte“ einreichen.

Parallel dazu gibt es Marktgespräche. Die Verantwortlichen der Pfarrei wollen sich mit den Bürgern persönlich über die Immobilien unterhalten. Im Frühjahr ist dann eine Projektwerkstatt vorgesehen, bei der die verschiedenen Varianten näher beleuchtet werden. Bei der Abschlussveranstaltung im Sommer 2026 soll dann eine Empfehlung für die künftige Nutzung der drei Gotteshäuser stehen.

Abgegeben wird diese von einem Runden Tisch, der den gesamten Prozess begleitet. Dieses Arbeitsgremium wird sich laut Moderator Buff aus knapp 30 Vertretern aus Kirche, Politik, Verwaltung und Bürgern zusammensetzen. Der Runde Tisch soll eigene inhaltliche Impulse setzen und die eingehenden Anregungen weiterentwickeln. Das erste Treffen ist am 25. Juni geplant, die weiteren Termine sind am 3. Dezember sowie am 20. April 2026.

Die Ergebnisse der Sitzungen werden nach Angaben der Pfarrei protokolliert, sodass sich die Bürger auf der Homepage ein Bild davon machen können. Viernheimer, die Interesse daran haben, in dem Gremium mitzuarbeiten, können sich bis 1. Juni online anmelden. Insgesamt zehn Plätze stehen für die Bürger zur Verfügung, wobei vier davon aus der Pfarrei kommen sollen. Gibt es mehr Bewerber als Plätze, entscheidet das Los.

In der Michaelskirche finden keine Gottesdienste mehr statt. © Bernhard Kreutzer

Eine zentrale Rolle spielt bei der Umwidmung von Kirchen das Landesamt für Denkmalpflege. Für Pfarrer Givens ist es daher wichtig, die Behördenvertreter in den Austausch über die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten einzubinden. Der Denkmalschutz sei sich der schwierigen Lage, in der sich die Kirchen bundesweit befinden, bewusst, sagt der Geistliche: „Die Maßstäbe, die früher formuliert wurden, passen nicht mehr zu den Herausforderungen. Manches wird nun anders und neu bewertet.“ Givens hofft auf entsprechend große Gestaltungsspielräume im Rahmen des Zukunftsdialogs.

Die Marienkirche ist das älteste Viernheimer Gotteshaus. Auch seine Zukunft ist ungewiss. © Othmar Pietsch

Eine neue Herangehensweise an das Thema Kirchen erwartet Givens auch von den Bürgern. „Wir müssen Räume loslassen“, so habe es das Bistum Mainz vorgegeben. Der Seelsorger zeigt sich überzeugt, dass es mithilfe der Viernheimer letztlich „gute Lösungen“ für die Immobilien geben werde. Dabei setzt er gerade auf die Menschen, die „mit Kirche nicht viel am Hut haben“. Deren Blickwinkel fehle den Gremien der Pfarrei, sagt Givens. „Es kann gut sein, dass der Heilige Geist außerhalb der Kirchenmitgliedschaft wirkt.“

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