Viernheim. Was passiert, wenn Russland nach der Wartung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 den Gashahn geschlossen hält oder die Energieversorgung Deutschlands zu einem späteren Zeitpunkt kappt? Diese Frage treibt die Menschen um – insbesondere mit Blick auf den kommenden Winter. Aber auch die Kommunen machen sich Gedanken, ob sie ihren Bürgern künftig Räume zum Aufwärmen zur Verfügung stellen oder eventuell das Hallenbad stilllegen müssen.
Bürgermeister Matthias Baaß will solche Szenarien nicht ausschließen, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Ebenso sei es möglich, dass die Sporthallen eines Tages kalt bleiben oder die Raumtemperatur im Rathaus abgesenkt wird. Sollten solche Entscheidungen erforderlich sein, werde er die parlamentarischen Gremien einbinden, kündigt der Verwaltungschef an. Abhängig von der jeweiligen Marktlage sei dann zu überlegen: „Wie viel Komfortverlust sind wir bereit, gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten?“ Käme es zu einer echten Notlage, wäre diese Diskussion möglicherweise gleich hinfällig.
So weit will Baaß aber gar nicht vorausdenken. Im ersten Schritt gelte es für die Stadt Viernheim, den Energieverbrauch zu senken. Denn bei steigenden Bezugspreisen sind die Aufwendungen für die eigenen Liegenschaften zuletzt schon ordentlich in die Höhe geschnellt.
Reinhard Wirths, Energiebeauftragter im Brundtlandbüro, hat die Belastung kalkuliert: Auf Basis der Preise vom 1. Juli kommt er für die kommenden zwölf Monate auf einen Anstieg der Energiekosten von 710 000 Euro gegenüber dem Vorjahr. Der Experte hat in den vergangenen Jahren daran mitgewirkt, die Energiebilanz der Stadt zu verbessern. Auf 40 Prozent beziffert er – durchaus stolz – die Einsparung im Wärmeverbrauch der Einrichtungen. Beim Strom seien es 35 Prozent. Summa summarum bedeute dies eine „CO2-Minderung von über 50 Prozent“. Nun ist es Wirths’ Aufgabe, in möglichst kurzer Zeit noch mehr herauszuholen.
Warmes Wasser in Sportstätten
Im Sommer sei das indes unmöglich, teilt er mit. Die Heizungen seien „komplett abgeschaltet“, lediglich für die Warmwasseraufbereitung werde Energie gebraucht. „Bis Mitte September haben wir kein Einsparpotenzial mehr.“ Das warme Wasser in den Duschen der Sportstätten abzustellen, wie dies andere Städte – etwa Ladenburg – getan haben, ist für Viernheim momentan kein Thema. „So weit sind wir noch nicht“, erklärt Reinhard Wirths.
Ohnehin sei das Potenzial an dieser Stelle eher gering. „Richtig wirkungsvoll“ agieren könne die Stadt hingegen ab dem Spätsommer – etwa dadurch, dass sie das Temperaturniveau in beheizten Räumen generell reduziere. Aber auch da gebe es natürlich Grenzen, fügt Wirths hinzu. „In den Seniorenwohnheimen kann man nicht so einfach fünf Grad runterdrehen.“
Den besten Weg sieht Wirths darin, den Energieträger zu substituieren. Möglich sei dies mit mobilen Ölheizungen, die an die jeweilige Wärmeverteilung anzuschließen sind. Auf diese Weise könnte sich die Stadt beim Beheizen eines Gebäudes in Teilen oder komplett vom Erdgas als Energiequelle unabhängig machen – und eventuell sogar die üblichen Temperaturen aufrechthalten.
Bislang besitzen die Stadtwerke – die für die Wärmeerzeugung in den kommunalen Einrichtungen zuständig sind – aber nur eine solche Heizzentrale mit Öltank. Über die mögliche Anschaffung weiterer Aggregate müsse noch entschieden werden, sagt der Energiebeauftragte. Die technischen Voraussetzungen, ein mobiles Gerät anzuschließen, gibt es Wirths zufolge beim Rathaus, der Waldsporthalle, den Wohnheimen Carlo-Mierendorff-Straße und Saarlandstraße sowie dem Treff im Bahnhof. Keine größeren Sorgen macht sich die Stadt bei den Kindertagesstätten Entdeckerland und Lorscher Straße, dem Feuerwehr-Gerätehaus und den beiden Wohnblocks in der Peter-Minnig-Straße. „Sie sind biomasseversorgt – mit Pellets“, berichtet Wirths.
Blockheizkraftwerke betroffen
Problematisch seien vor allem die Immobilien, die auf Gas angewiesen sind. Die Kita Pirmasenser Straße zum Beispiel erhält den fossilen Energieträger direkt über die Leitung und könnte nicht kurzfristig mit Öl versorgt werden. Sollte dort kein Gas mehr ankommen oder der Druck abfallen, steht für Wirths fest: „Das Objekt bleibt kalt.“
Auch die Blockheizkraftwerke am Essigzapfen und am Rathaus funktionieren grundsätzlich durch Gasverbrennung. Beim Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung wird die thermische Energie genutzt, um Strom und Wärme für das Heizen zu gewinnen. Davon profitieren auch das Bürgerhaus und das Rhein-Neckar-Zentrum. Nach Angaben von Stadtwerke-Leiter Ralph Franke ist es allerdings möglich, zwei der drei Kessel am Essigzapfen auf Öl umzustellen. „Das dürfte ausreichen, um alle angeschlossenen Haushalte auf Temperatur zu halten.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim_artikel,-viernheim-energie-sparen-auf-oel-umsteigen-_arid,1973402.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/viernheim.html