Viernheim. Das Poster zur Ausstellung der Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund zeigt die Schwarzweiß-Aufnahme einer Menschenmenge, in der jeder der Abgebildeten den Arm zum Hitlergruß hoch erhoben hat. Jeder, bis auf einen einzigen Mann.
Dieser verschränkt seine Arme demonstrativ in einer Verweigerungshaltung und schaut ein wenig belustigt. Ein rotes Quadrat ist auf dem Poster um diesen einen Mann gelegt, der so offensichtlich gegen den braunen Strom schwimmt. Dieser Mann fällt - auch ohne den Rahmen - auf, weil er als einziger etwas anders macht.
In Anwesenheit des Führers
Wer die Ausstellung " . . . gerade Dich, Arbeiter, wollen wir" besucht, erfährt, wer dieser Mann war - es war der Arbeiter August Landmesser und der Anlass kein ungefährlicher: Man beging in Hamburg den Stapellauf eines Schiffes 1936 in Anwesenheit von Adolf Hitler persönlich. Leider erfährt der Besucher in der aktuellen Ausstellung des Kunsthauses nicht, ob die mutige Geste von August Landmesser Konsequenzen hatte. Auch Bürgermeister Matthias Baaß greift die mutige Geste in seiner Eröffnungsrede auf und gibt zu bedenken, "wie viel Überwindung es diesen Mann gekostet haben mag, in der Masse, in der alle das Gleiche tun, dies nicht zu tun."
Die Verweigerung des Hitler-Grußes ist für Baaß der Ausdruck einer Einstellungssache, die nicht nur in die Vergangenheit gehöre, sondern modern und höchst aktuell sei. "Es hat etwas damit zu tun, Farbe zu bekennen und drückt ein demokratisches Prinzip aus, das wir unterstützen", so Baaß.
Auch der Historiker und DGB-Regionalsekretär Christian Störtz betonte vor den Eröffnungsgästen die Aktualität des Ausstellungsthemas und nannte als Stichwort den Begriff "Asyl". "Lehren aus der Geschichte ziehen kann nur, wer die Geschichte kennt", resümierte Störtz. Bei "... gerade Dich, Arbeiter, wollen wir" handelt es sich um eine reine Informationsausstellung ohne Objekte. 25 Roll-Ups informieren über das Ende der Weimarer Republik, die Machtergreifung der Nazis und deren Umgang mit den Gewerkschaften. Neben der Schilderung der Ereignisse werden auch vier "Erklärungsversuche" gegeben.
Thematisch schwer und düster
Die Inhalte der Texttafeln umfassen die aus Geschichtsbüchern und Nachschlagewerken bekannten Fakten und liefern darüber hinaus nur wenig bis gar nichts Neues. Einen lokalen Bezug gibt es ebenfalls nicht, die Darstellungen beziehen sich auf Ereignisse in ganz Deutschland. Auch die "Erklärungsversuche" sind keine Erkenntnisse jüngster Forschungen, sondern all jenen, die sich auch nur am Rande mit diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte beschäftigt haben, vertraut. Selbst als mahnende Ausstellung, die ihre "Aktualität" aus einem sich jährenden runden und traurigen Jubiläum gewinnen würde, käme sie ein Jahr zu spät nach Viernheim, denn die Ereignisse geschahen 1933 - vor inzwischen 81 Jahren. Das Projekt wirkt aufgrund seiner thematischen Schwere und Düsternis im Kunsthaus regelrecht deplatziert. Hier möchte man sich mit schöngeistigen und künstlerischen Fragen beschäftigen und nicht mit den Schrecken der NS-Zeit konfrontiert werden. Vielleicht wäre die Ausstellung im Museum Viernheim besser untergebracht, wo man die harten Fakten der Tafeln wenigstens mit zeitgenössischen Stücken hätte beleben und bereichern können. mhm
Öffnungszeiten
Die Ausstellung "...gerade dich, Arbeiter, wollen wir" ist bis Freitag, 7. Februar, im Kunsthaus zu sehen, donnerstags und freitagsvon 15 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 13 Uhr. Zur Ausstellung ist eine Broschüre für 2 Euro zu erwerben, die alle Texttafeln der Ausstellung beinhalten.
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