Viernheim. Von der großen Explosion im Oppauer Werk der BASF am 21. September 1921 war auch Viernheim betroffen. Daran erinnerte der Historiker Peter Bilhöfer nun bei einem Vortrag im Garten des Museums. Bilhöfer beschäftigt sich schon lange mit den Ereignissen. Er ist in Oppau aufgewachsen und Mitglied im Vorstand des dortigen Museumsvereins. Unter anderem arbeitet er als Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
Bilhöfer ging in seinem Vortrag auch auf die Geschichte des 1913 in Betrieb genommenen Oppauer Ammoniak-Werks ein. Während des Ersten Weltkriegs wurden dort Ammoniakverbindungen hauptsächlich zur Produktion von Sprengstoffen genutzt, ab 1919 trat die Produktion von Kunstdünger in den Vordergrund.
Auslöser des Unglücks von 1921 war die Sprengung eines Düngemittelklumpens. Mit dem damals eigentlich üblichen Vorgang sollte das auch „Oppauer Salz“, genannte Ammonsulfatsalpeter für die Verladung aufgelockert werden. Doch diesmal ging etwas schief. Genau um 7.32 Uhr, wie zahlreiche stehengebliebene Uhren zeigen, kam es zur laut Bilhöfer „größten Katastrophe der chemischen Industrie Europas“. 561 Menschen verloren dabei ihr Leben 2000 weitere wurden ernsthaft verletzt, 7500 obdachlos. Viernheim hatte mit Kaspar Adler, Jakob Helmig und Georg Rössling, die für Fremdfirmen als Bauarbeiter im Oppauer Werk beschäftigt waren, drei Todesopfer zu beklagen.
Daneben entstand In Viernheim ein Schaden von 30821 Mark. 234 Privathaushalte und mehrere öffentlichen Gebäude waren betroffen. So wurden zum Beispiel an der Schillerschule 80 Fensterscheiben zerstört. „Der Knall war bis nach München zu hören“, so Bilhöfer. Oppau und Edigheim waren Trümmerfelder. Auch das Mannheimer Schloss wurde beschädigt. In Heidelberg entgleiste eine Straßenbahn durch herabfallende Trümmerteile.
Trotz der erheblichen Schäden setzten die Rettungsarbeiten durch die bayerische Landesregierung und die französischen Besatzungsbehörden sofort ein. Lazarettzüge wurden nach Ludwigshafen beordert und Schulen in Behelfslazarette umgewandelt. Zur Regulierung der Schäden wurde das Hilfswerk Oppau gegründet.
Die Viernheimer zeigten sich sehr hilfsbereit: Im Oktober 1921 überwies Bürgermeister Jean Lamberth 16000 Mark aus Spendengeldern an das Hilfswerk.
Da bei der Explosion fast alle Beweismittel vernichtet wurden, konnte lange keine genaue Unfallursache festgestellt werden. Erst in neuerer Zeit kam man durch Erfahrungen aus anderen Explosionsunglücken und Forschungen dem Geheimnis auf die Spur. Laut Bilhöfer war wohl das erst fünf Monaten zuvor eingeführten Mischverfahren für Ammoniumnitrat und Ammoniumsulfat Ursache für die Katastrophe.
Dabei wurden die beiden Salze nicht mehr wie bisher mechanisch in Förderschnecken gemischt. Stattdessen wurde ein Sprühverfahren angewandt, bei dem Lauge durch kleine Düsen gepresst, wie Schnee auf den Hallenboden rieselte. Dadurch entstanden einzelne Inseln mit einer Konzentration von bis zu 90 Prozent Ammoniumnitrat. Genau eine solche Konzentration erwischte wohl der Sprengmeister am Morgen des 21. September 1921.
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