Viernheim. Haben wir nicht wirklich größere Probleme als klamme Kassen von Städten und Gemeinden? Ja, die Finanzlage der Kommunen mag auf den ersten Blick nachrangig erscheinen. Trump stellt die ganze (Wirtschafts-) Welt auf den Kopf, Putin führt weiter Krieg gegen die Ukraine, Erdogan sperrt politische Gegner ein, die Jusos torpedieren die Berliner Koalition. Diese Themen beschäftigen die Menschen und die politische Elite. Sie dominieren ihre Wahrnehmung.
Doch tatsächlich sind auch angesichts dieser Großthemen die kommunalen Finanzen nur auf den ersten Blick nachrangig. Wenn Städte und Gemeinden bei der finanziellen Ausstattung durch Bund und Länder weiterhin hinten runterfallen, werden sie gezwungen sein, freiwillige Leistungen für ihre Bürger zu streichen. Musikschule? Stadtbibliothek? Volkshochschule? Museum? Geschichte!
Auch wenn andere Themen die internationalen Schlagzeilen beherrschen: Die Kommune ist eine Keimzelle der Demokratie. Und ihre Attraktivität für die Menschen entscheidend. Führte Viernheim seine freiwilligen Leistungen zurück, würde das viele Menschen verärgern und frustrieren. Menschen, die immer mehr bezahlen müssen und immer weniger bekommen, entfernen sich vom Ideal der Demokratie, wenden sich ab, rutschen in ihrer Haltung gegenüber dem Staat nach rechts außen.
Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß hat vollkommen recht, wenn er bei der Verabschiedung des defizitären Haushalts in diesem Kontext prophezeit: „Dann fahren wir die Demokratie an die Wand.“
Nun wurden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zuletzt vermehrt aktiv, indem sie demonstrierten und Protestnoten an Bund und Länder adressierten. Aber wäre es nicht machtvoller, wenn die Kommunen - etwa unter der Ägide des Deutschen Städte- und Gemeindebunds - in konzertierten Aktionen ihren Protest lautstark und medienwirksam bündelten?
Und das am besten zusammen mit den Landrätinnen und Landräten. Schließlich steht auch den Kreisen das Wasser bis zum Hals.
Die vereinzelten Fingerzeige verpuffen in Berlin und Wiesbaden und anderen Landeshauptstädten. Auch wenn der Koalitionsvertrag für Viernheims Bürgermeister zumindest einige richtige Stichworte in Sachen kommunale Finanzen enthält - Papier ist geduldig. Nein, die führenden Köpfe von Kommunen und Kreisen müssen endlich gemeinsam auf den Tisch hauen. Nicht nur ein Mal. Und zwar so, dass daraus Schlagzeilen entstehen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Demokratie in Gefahr
Wenn Kommunen aus Geldnot freiwillige Leistungen wie Musikschule oder Stadtbibliothek streichen müssen, untergräbt das die Demokratie. Da hat Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß vollkommen recht.