Prozess

Blitzer-Sprengung: Zeugen können sich nicht erinnern

Von 
Martin Schulte
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Prozessbeginn in Saal 227 des Bensheimer Amtsgerichts. © Berno Nix

Viernheim/Bensheim. Das Amtsgericht Bensheim hat die drei Angeklagten freigesprochen, die beschuldigt waren, in der Silvesternacht zum 1. Januar 2018 zwei Radar-Säulen in der Viernheimer Friedrich-Ebert-Straße mit unerlaubten Böllern demoliert zu haben. Die Vorsitzende Richterin Katja Beyerlein sagte am Mittwoch in der Urteilsbegründung: „Wir haben heute nichts, gar nichts.“ Die Beweisaufnahme habe keinerlei belastbare Hinweise auf eine Tatbeteiligung der drei Männer erbracht. Zuvor hatte Anklagevertreterin Laura Heidrich Freispruch gefordert. Die geladenen Zeugen hatten großteils massive Erinnerungslücken.

Zu dem Verfahren war es erst knapp vier Jahre nach der Tat gekommen, weil zu drei voraufgegangenen Terminen jeweils Prozessbeteiligte nicht erschienen sind.

Die Anklage lautete auf Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Darauf steht mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Beschuldigt waren drei in Viernheim lebende Männer, ein 49-jähriger Gartenbauer, ein 29-jähriger Fahrzeuglackierer sowie ein 27 Jahre alter Schlosser. Alle drei hatten jeweils einen Pflichtverteidiger an der Seite, sie selbst machten keinerlei Angeben zu den Vorwürfen. Für den 49-Jährigen erklärte dessen Anwalt Steffen Lindberg: „Wir weisen die Vorwürfe zurück. Mein Mandat hat mit der Sache absolut nichts zu tun.“ Derselbe Anwalt sagte nach dem Urteil: „Diese Anklage ist in sich zusammengebrochen.“

2018: Eine der beiden demolierten Radar-Säulen. © Stadt Viernheim

Nach der Schilderung der Staatsanwältin am Mittwoch feierte eine größere Gruppe von Menschen bei dem mitangeklagten 29-Jährigen die Silvesternacht auf den 1. Januar 2018. Beim ihm, so Laura Heidrich, habe eine Wanne bereitgestanden, in die jeder seiner Böller werfen konnte und aus der sich jeder bedienen konnte. Zeugenaussagen würden den Verdacht zulassen, dass die drei Angeklagten die Detonationen und die Reparaturkosten von 26 000 Euro zu verantworten hätten.

Wie sich herausstellte, konnten am Ende weder Staatsanwaltschaft noch Gericht etwas mit diesen Aussagen anfangen. Die Polizei hatte, so war dem Prozess zu entnehmen, mögliche Tatverdächtige ermittelt, darunter einschlägig polizeibekannte Jugendliche, die bei den Vernehmungen zu Zeugen wurden, indem sie die Angeklagten belasteten. Der erste dieser Zeugen, ein berufs- und arbeitsloser 44-Jähriger, gab bei Gericht jedoch an, schon lange im Bett gewesen zu sein, als es draußen auf der Straße laut knallte. Er habe etwa bis 0.30 Uhr dem Feiern im Hof an der Friedrich-Ebert-Straße zugeschaut. Laut Ermittlungen kam es nach 1 Uhr zu den Detonationen.

Zeuge Nummer zwei, ein 17 Jahre alter Azubi, sagte gleich zu Beginn seiner Aussage: „Ich will dazu gar nichts sagen.“ Von Richterin Beyerlein über seine Pflicht belehrt, sagte er, er könne sich an gar nichts erinnern, alles zu lange her. Die Richterin zierte Aussagen von ihm aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll. Ob er sich nun erinnern könne, fragte sie. Fehlanzeige. Der dritte im Bunde, ein berufs- und arbeitsloser 16-Jähriger, der auch nicht zur Schule geht: keinerlei Erinnerung, zu lange her.

Anwälte verzichten auf Fragen

Die Anwälte verzichteten auf Fragen an die Zeugen, die Staatsanwältin nach einem Versuch dann ebenfalls. Erschwerend kam für diese hinzu, dass auch eine federführende Ermittlerin in dem Fall im Zeugenstand auf Nachfragen der Anwälte mitunter passen musste. Zu lange her. So haben weder Ermittlungen noch Prozess zur Aufklärung der Tat erfolgreich beigetragen.

Redaktion Reporter.

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