Viernheim. Die Nachfrage ist deutlich größer als das Angebot: Sozialamtsleiter Rudolf Haas redet nicht lange um den heißen Brei herum, wenn es um die Kita- und Krippenplätze geht. Die Zahl der Kinder wächst, den Kommunen gelingt es kaum noch, ausreichende Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Weil in Viernheim Geld und Grundstücke für einen weiteren Neubau fehlen, versucht die Stadt nun, mit mehreren kleineren Projekten die Situation zu entschärfen. Wie das genau aussieht, erläuterte Haas am Mittwochabend in der Sitzung des Sozial- und Kulturausschusses.
In einem ersten Schritt ist der Umbau des Pfarrer-Volk-Hauses zu einer Krippe geplant. Mittelfristig sollen dort zwei Gruppen mit jeweils zwölf Kindern einziehen. Eine davon wird neu sein, die andere wechselt aus dem vorhandenen Kindergarten St. Michael ins Nachbargebäude und schafft dort wiederum Platz für eine weitere Kita-Gruppe mit 25 Kindern. Haas geht davon aus, dass die Arbeiten Anfang 2024 abgeschlossen sind.
Bis die endgültige Lösung greift, werde das Volk-Haus aber als Ausweichquartier für die städtische Krippe „Meilenstein“ gebraucht. Laut Haas sollte das Gebäude in der Franconvillestraße schon im vergangenen Jahr vom Eigentümer renoviert werden, der Beginn wurde aber verschoben. Für den Zeitraum der Arbeiten, die etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen, müssen die Kinder in die Schultheißenstraße umziehen. Die Kosten für Umbau und Einrichtung der Krippe im Pfarrer-Volk-Haus beziffert der Sozialamtsleiter auf 483 000 Euro. Die Stadt sei sich mit dem Bistum Mainz grundsätzlich einig, es fehle aber noch die abschließende Entscheidung der Diözese.
Parlamentarisch seit Langem beschlossen ist die Erweiterung der Kindertagesstätte Kapellenberg um zwei Gruppen mit jeweils 25 Kindern. „Bei der Ausschreibung hat sich allerdings keine Firma dafür interessiert“, berichtet Rudolf Haas. Das Projekt war ursprünglich in Modulbauweise geplant, nun setzt die Stadt auf einen konventionellen Neubau. Haas zufolge dauert dadurch allerdings alles länger, zur Verfügung stehen könnten die zusätzlichen Räume nach seiner Einschätzung Ende 2024 oder Anfang 2025. Die Stadt investiert insgesamt 2,3 Millionen Euro, die Gestaltung des Außengeländes und die Einrichtung sind darin inbegriffen.
Suche nach Bauernhof erfolgreich
Ein gutes Stück vorangekommen ist die Verwaltung bei der Planung der Bauernhof-Kita, die die CDU im jüngsten Kommunalwahlkampf gefordert hatte. Laut Haas gab es etliche Gespräche mit landwirtschaftlichen Betrieben. Mittlerweile hat die Stadt ein Grundstück gefunden, das – auch nach Einschätzung der Bauaufsicht – für dieses besondere Konzept geeignet sei. Um welche Fläche es sich dabei handelt, wollte der Amtsleiter noch nicht sagen. Geplant sind Halbtagsplätze für 20 Kinder, die einen Bauwagen als feste Unterkunft nutzen. Dadurch bleiben die Kosten im Rahmen. 100 000 bis 125 000 Euro sind angesetzt. Mit der Realisierung des Vorhabens rechnet Rudolf Haas 2024 oder 2025. Zwei weitere Gruppen sollen künftig – als Erweiterung der Kindertagesstätte St. Hildegard – im dortigen Gemeindehaus betreut werden. Die Stadt kalkuliert für Umbau und Einrichtung mit 810 000 Euro. Haas weist darauf hin, dass die Kommune in diesem Fall von Fördergeldern im Rahmen des Stadtumbaus West profitieren könnte.
Erst kurzfristig in den Blick geraten ist das Vogelpark-Restaurant, wo es zuletzt nicht gelungen ist, einen Pächter dauerhaft zu etablieren. Aus dieser Situation sei die Idee entstanden, im Erdgeschoss eine naturnahe Kita mit 50 Plätzen zu schaffen. „Ein schönes Projekt. Wir können dort pädagogisch einiges machen“, sagt Haas. Die Themen Wald, Tiere und Bewegung könnten in dem Konzept wesentliche Rollen spielen. Das Jugendamt befürworte das Vorhaben, der Träger sei aber noch offen. Einen Nachteil hat das Projekt allerdings: Der Bebauungsplan müsste geändert werden. Nach Einschätzung des Amtsleiters dauert das Verfahren ein bis zwei Jahre. „Defensiv gerechnet wäre die Fertigstellung 2025/2026. Vielleicht geht es auch schneller.“
Nach Angaben von Rudolf Haas stehen in Viernheim zurzeit maximal 1290 Kita-Plätze für über Dreijährige zur Verfügung. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Inklusionsbestrebungen Personal binden. „Dadurch werden 80 bis 90 Plätze gesperrt.“ Die theoretische Zahl der Krippenplätze beträgt 267. Nach aktuellen Berechnungen fehlen im zweiten Halbjahr dieses Jahres 40 Plätze. Laut Haas ist das Interesse der Eltern wieder deutlich gestiegen, nachdem es während der Corona-Zeit einen vorübergehenden Rückgang gegeben habe. Bei den Kitas sind 441 Plätze in der Vergabe. Die Verwaltung sieht momentan eine Unterversorgung von 86 Plätzen im zweiten Halbjahr. Da pro Monat 30 bis 35 Kinder hinzukämen, liege die Lücke im April 2024 voraussichtlich bei mehr als 200 Plätzen.
Zuschuss von zehn Millionen Euro
„Da ist aber immer eine gewisse Dynamik drin“, sagt Haas. Es sei nicht leicht, die Entwicklung vorherzusehen. In jedem Fall bemühe sich die Stadt darum, „möglichst viele Kinder unterzubringen“ und dabei – im Rahmen der Viernheimer Vergaberichtlinien – gerecht vorzugehen.
Der nächste Kita-Neubau wird vermutlich erst parallel mit dem Gebiet Nordweststadt II errichtet. Nach Angaben von Rudolf Haas gibt es derzeit keine geeigneten Areale für solche Vorhaben. Zudem wolle die Stadt eine weitere Flächenversiegelung vermeiden. Was mindestens ebenso schwer wiegt, ist der finanzielle Engpass der Kommune.
Zwar besteht ein Rechtsanspruch auf Betreuung, Bund und Land haben aber die Förderung ausgesetzt. 250 000 Euro gab es noch für jede der fünf Gruppen in der bewegten Kita an der Lorscher Straße – bei Gesamtkosten von knapp fünf Millionen Euro. Mittlerweile muss die Stadt sämtliche Baumaßnahmen selbst schultern. Zudem zahlt sie riesige Zuschüsse für den laufenden Betrieb. In diesem Jahr sind es mehr als zehn Millionen Euro. Dafür seien die Elterngebühren in Viernheim – im Vergleich zu anderen Kommunen – „sehr, sehr gering“, sagt Haas. „Das Parlament hat das so beschlossen.“
Kinder online anmelden
Seit 1. Januar bietet die Stadt den Eltern die Möglichkeit, ihr Kind online über ein Antragsformular auf der Internetseite viernheim.de für die Betreuung anzumelden.
Damit entfällt für die Verwaltung der Abgleich von Listen der einzelnen Kitas und Krippen. Dort hatten Erziehungsberechtigte ihr Kind zuvor – teilweise mehrfach – direkt angemeldet.
Bei der Online-Anmeldung ist zunächst die Wunscheinrichtung auszuwählen. Falls weder dort noch in einer von zwei ausgewählten Ausweicheinrichtungen ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht, ist keine erneute Anmeldung erforderlich. Die Daten verbleiben auf der Warteliste, bis für das Kind ein Platz in einer anderen Einrichtung zur Verfügung steht.
Die Eltern können sich in elf Sprachen über das Prozedere informieren. Das Formular selbst ist in Deutsch auszufüllen.
Krippenkinder (ein bis drei Jahre) sollten zeitnah nach der Geburt angemeldet werden. Kita-Kinder (drei Jahre bis zum Eintritt in die Schule) müssen bis zum 30. November registriert werden, wenn sie ab Sommer des Folgejahres zum Zug kommen sollen. wk
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