Lesung

Autorin wehrt sich in Viernheim gegen das Denken in Schubladen

Florence Brokowski-Shekete spricht in ihrem neuen Buch mit zwölf Menschen, die sich als Schwarze in ihren Berufen beweisen. Deren Geschichten - und ihre eigene - hat sie jetzt in der Kulturscheune in Viernheim erzählt

Von 
Sandra Usler
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Florence Brokowski-Shekete liest aus ihrem neuen Buch. © Sandra Usler

Viernheim. „Plötzlich hat man nicht mehr Deutsch mit mir gesprochen“ erinnert sich Florence Brokowski-Shekete an das Jahr 2015, als in Heidelberg viele Geflüchtete aus Afrika untergebracht waren. Alle Menschen mit dunkler Hautfarbe seien gleich als Flüchtling „erkannt“ worden. Auch Muslime nach dem 11. September oder Asiaten nach dem Ausbruch des Corona-Virus hätten ein ähnliches Schubladen-Denken erfahren.

In ihrem Buch „Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen“ geht es um Vorurteile gegenüber anderen. Das Gleichstellungsbüro der Stadt Viernheim und der Verein Lernmobil haben zur Lesung mit der Autorin in die Kulturscheune eingeladen. „99 Prozent des Publikums sind weiß – Sie dürfen trotzdem bleiben“, hat die Autorin gleich die Lacher auf ihrer Seite. „Wo kommen Sie her?“ sei die häufigste Frage, die Florence Brokowski-Shekete gestellt bekommt. Und mit der Antwort würden die wenigsten rechnen: „Buxtehude“. Dort ist sie als leibliches Kind nigerianischer Eltern geboren, aufgewachsen bei einer Pflegemutter in Hamburg.

Oft die „Erste und Einzige“

In ihrem Leben sei sie oft die „Erste und Einzige“ gewesen: in der Schule, beim Studium, als Lehrerin, als Schulleiterin, heute als Schulamtsdirektorin in Mannheim. Aus dieser Erfahrung ist die Idee zu dem neuen Buch geboren. Sie spricht mit schwarzen Deutschen, die man nicht in ihren Berufen erwartet. „Kaum einer glaubt, dass ich wirklich Lehrerin bin und keine Praktikantin aus Timbuktu“, lacht Brokowski-Shekete – Sängerin oder Stewardess würde doch viel besser zu ihr passen.

Mit zwölf Gesprächspartnern tauscht sie in ihrem Buch die Alltagserfahrungen als Schwarze in Deutschland aus. Sie spricht mit einem Bürgermeister, einem Metzgermeister, einem Kfz-Mechaniker, einer Rechtsanwältin, einem Hochschullehrer, einer Altenpflegerin, einem Kinderkrankenpfleger, einem Sozialarbeiter. Da wird Isaac Boateng – nicht verwandt mit den Fußballbrüdern – in der Wohngeldstelle für den Klienten statt den Sachbearbeiter gehalten. „Da sitzt noch einer drin“, hört er oft vor seinem Büro. Und an der Pforte zum Amt muss er sich immer wieder als Mitarbeiter ausweisen. „Frustrierend“, gibt er zu. „Anderssein hat oft nichts mit der Hautfarbe zu tun“, sagt Brokowski-Shekete, die in Nigeria aufgrund ihrer Sozialisierung in Deutschland als „die Weiße“ gilt.

Genau das hat Isaacs Ehefrau, keine Farbige, erfahren: „Man steckt mich in eine Schublade, wenn ich nur meinen Nachnamen nenne“. Stefania Mbianda hatte von ihren neuen Nachbarn ungefragt Sachspenden bekommen. „Dabei wohnten wir in unserem eigenen Haus“, konfrontierte sie die Nachbarschaft mit ihrem Beruf: Gynäkologin.

Auch von Sylvie Brou erwarte niemand, dass sie in einer Schule arbeitet. „Was müssen sich die Eltern gedacht haben?“, berichtet die Autorin von einem Tag, als sie zusammen mit der Sekretärin die Anmeldungen der neuen Schüler entgegennahm.

Das Buch von Florence Brokowski-Shekete ist ein Appell an Nicht-Schwarze, die Situationen und die Gefühle schwarzer Menschen zu verstehen und in ihren eigenen Schubladen zu kramen.

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