Historie - Stadtarchiv bittet Bürger um Mithilfe bei Einordnung von Aufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg / Fotograf wahrscheinlich ein Viernheimer

Auf der Spur des unbekannten Soldaten

Von 
Florian Hartmüller
Lesedauer: 

Viernheim. Hunderte von Soldaten mit Stahlhelmen stehen in Reih’ und Glied am Rand eines großen Platzes, über ihnen wehen Hakenkreuzfahnen im Wind. Zwei Jungen sitzen auf einem Schlitten und lächeln gemeinsam mit einem hinter ihnen stehenden Mann in die Kamera. Eine Gruppe Kinder in sommerlicher Kleidung schaut einer Sportveranstaltung zu.

Diese und viele andere Motive zeigen rund 40 Fotonegative aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, auf die Mitarbeiter des Stadtarchivs vor kurzem bei der Digitalisierung des Bestands gestoßen sind. „Vermutlich stammen die Bilder aus einer Haushaltsauflösung“, erklärt Gisela Wittemann, die Leiterin des Stadtarchivs, im Gespräch mit dieser Redaktion. Zur Herkunft lasse sich jedoch nichts Genaues sagen, auch nicht dazu, wann die Fotografien in den Bestand aufgenommen wurden. Wenn Bürger Objekte im Stadtarchiv abgeben, werden sie normalerweise zu deren Hintergrund befragt. „Für die Bilder haben wir aber keine entsprechenden Unterlagen. Das bedeutet wohl, dass die Leute, die sie abgegeben haben, selbst nichts mehr darüber wussten“, so Wittemann.

Die Negative selbst weisen keine Beschriftung auf. Nur auf einer der beiden Falttaschen aus Papier, in denen sie aufbewahrt wurden, steht handschriftlich „Vereidigung“. Zur Identifizierung der abgelichteten Personen und Ereignisse bittet Wittemann daher nun die Viernheimer Bürger um Mithilfe. Durch eigene Recherchen, etwa auf der Grundlage von abgebildeten Schildern, konnten die Mitarbeiter des Stadtarchivs zumindest einen Teil der Fotografien räumlich und zeitlich genauer einordnen. Einige entstanden wohl um 1939/40 herum während oder kurz nach dem Überfall auf Polen. Direkte Kampfhandlungen sind nirgendwo zu sehen. Ein großer Teil der Bilder zeigt dagegen die eingangs beschriebene militärische Zeremonie, die auf dem Marktplatz von Jarotschin im sogenannten „Wartheland“ abgehalten wurde. Dabei handelt es sich möglicherweise um die auf der einen Tasche genannte „Vereidigung“.

Am selben Ort entstand eine Aufnahme, die einen leicht korpulenten Soldaten alleine neben einem Wegweiser zeigt. Der Mann blickt in die Kamera, seine Uniform wurde nachträglich leicht koloriert. Da er auf den meisten anderen Bildern nicht zu sehen ist, könnte es sich bei ihm um den Fotografen handeln, der diese aufgenommen hat.

Vier Kameraden

Eine weitere Fotografie zeigt den unbekannten Soldaten mit vier Kameraden neben einem Schneehaufen. Aufgenommen wurde sie wahrscheinlich am Westwall. In dessen Nähe entstanden vor dem Angriff auf Frankreich im Frühjahr 1940 wohl mehrere der Bilder. Dazu gehört etwa das Motiv von zwei berittenen Soldaten und einer ebenfalls auf einem Pferd sitzenden Frau vor dem Gasthaus Bienwaldmühle in der Südpfalz. Nicht genau verortbar sind unter anderem Fotografien, die Soldaten bei Schreinerarbeiten, möglicherweise beim Bauen von Notbetten, oder mit Krankenpersonal im Lazarett zeigen. Verschiedene Bilder mit zivilen Motiven sind dagegen eindeutig Viernheim zuzuordnen. Dazu gehören vor allem vier Aufnahmen der Apostelkirche. „Die wurden wohl gemacht, um den Film vor dem Entwickeln zu füllen“, vermutet Wittemann. Auch die bereits erwähnten Kinderbilder und die Aufnahme einer jungen Frau in einem Zimmer könnten in Viernheim entstanden sein.

Stadtarchiv digitalisiert Fotografien

Rund 17 000 Fotografien aus dem Viernheimer Stadtarchiv wurden in den vergangenen Jahren digitalisiert.

Damit ist ein Großteil des Bestandes abgedeckt. Dieser wird jedoch ständig erweitert, zum Beispiel durch Aufnahmen von abbruchreifen Gebäuden oder durch Haushaltsauflösungen.

Die Originale werden nach und nach in Gebäude des Mannheimer Marchivums überführt. Dort sind die Lagerbedingungen besser als am bisherigen Aufbewahrungsort im Viernheimer Rathaus.

Gleichzeitig werden die digitalisierten Bilder in eine Datenbank des Marchivums aufgenommen. Ab wann sie dort einsehbar sind, steht aber noch nicht fest. fhm

Copyright © 2025 Südhessen Morgen