Kultur

Am Puls der Zeit

Viernheimer Kunstverein gehört zu den 100 wichtigsten Galerien weltweit. Raum für aktuelle Präsentationen geschaffen

Von 
Marion Gottlob
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Legen großen Wert auf Sinnhaftigkeit und Qualität: Fritz Stier (links) und Claus Bunte vom Kunstverein Viernheim im Gespräch. © Marion Gottlob

Viernheim. Das hat was! In einem Katalog von 100 weltweit wichtigen Galerien hat der Kunstverein Viernheim in der alphabetischen Reihenfolge zwischen den Städten Venedig und Washington seinen Platz erobert. Aus den kleinen Anfängen im Jahr 1999 hat sich der Verein zu einem anerkannten Ort für zeitgenössische Kunst entwickelt – hier werden vier bis fünf Ausstellungen pro Jahr gezeigt. Initiator Fritz Stier sagt: „Wir wollen mit unseren Präsentationen am Puls der Zeit sein.“

Als der Mannheimer Künstler Stier nach einem Aufenthalt in Berlin wieder in die Region zurückkehrte, fand er mit seiner Frau zunächst ein neues Zuhause in Viernheim. Doch musste er erkennen, dass es hier wenig Möglichkeiten für die Präsentation aktueller, zeitgenössischer Kunst gibt. So gründete er mit sechs Gleichgesinnten den Kunstverein Viernheim in der damaligen „Drehscheibe“, heute die „Townhall“. Der damalige Bürgermeister Norbert Hofmann befürwortete das Projekt, doch eine finanzielle Unterstützung gab es nicht. „Als wir eine Vitrine kaufen wollten, mussten wir längere Zeit dafür sparen“, erinnert sich Stier mit einem Lächeln.

Manche Vereine werden von Künstlern gegründet, damit sie gemeinsam ihre eigenen Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich machen können. Das ist nicht die Sache des Viernheimer Vereins. Diese Initiative gibt Künstlerinnen und Künstlern aus ganz Deutschland und aus dem Ausland die Chance, ihre Ideen einem Publikum zu zeigen. Der Verein erhält fast jede Wochen Anfragen per Telefon, Post oder Mail. Stier erklärt: „Wir achten bei der Auswahl auf sinnhafte Aussagen und ein Gefühl für Qualität.“

Avantgardistisches Programm

Claus Bunte, stellvertretender Vorsitzender, berichtet: „Anfangs kamen die Menschen zu uns mit der Bitte, Gemälde in Öl oder Aquarell mit Landschaftsbildern oder Stillleben zu zeigen. Die Bilder sind schön, keine Frage. Aber sie passen nicht in unser avantgardistisches Programm.“ Der Verein wagt regelmäßig das Experiment mit ungewöhnlichen und auch rätselhaften Arbeiten. „Man kann diese moderne Kunst ablehnen oder befürworten – sie ist jedenfalls nicht rückwärtsgewandt“, stellt Bunte klar.

Anfangs zeigte der Verein seine Ausstellungen im Gewölbekeller der Vinothek, seit 2005 im Kunsthaus bei der Apostelkirche. Regelmäßig gibt der Verein Dozenten und ihren Studierenden oder auch Absolventen von Kunst-Akademien die Möglichkeit zu einer Ausstellung, unter anderem aus Berlin, Dresden, Offenbach, Braunschweig oder Karlsruhe. „So gelingt es uns, sehr junge künstlerische Ansätze zu zeigen“, erläutert Bunte.

Bei einigen Aktionen hatte die Kunst aber auch das Kunsthaus „verlassen“ und wurde auf großen Plakaten in der Stadt sichtbar gemacht. In der Corona-Zeit entstand die Art-Box, in der Künstler aus der Region und darüber hinaus eine Auswahl ihres Schaffens in einem „Schaufenster“ des Kunstvereins vorstellen konnten.

Der Kunstverein zeigt nicht nur Bilder und Skulpturen, sondern auch Fotos, Performances, Installationen und Sound-Kunst. Hier haben schon der tschechische Künstler Pavel Mrkus (zeigte seine Arbeiten bei der Biennale Venedig), Documenta-Teilnehmer Eberhard Bosslet, Thomas Rentmeister (Bildhauer und Professor an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig) und Günter Zint (der Fotograf arbeitete unter anderem für den Spiegel) ihre Arbeiten gezeigt. Zusammen mit der SAP und dem Kunstverein Worms präsentierten die Viernheimer auch Künstler aus New York. Schaffende mit Wurzeln im Irak oder in China wurden ebenfalls schon präsentiert. „Aber natürlich geben wir auch Viernheimer Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu zeigen“, stellt Stier klar.

Sehr wichtig: Bunte schafft für junge Menschen die Gelegenheit, moderne Kunst zu verstehen. Dafür erarbeiten Schüler-Teams unter seiner Anleitung Führungen für Mitschüler und Lehrer. Es gibt sogar „babylonische“ Führungen für Familien und Freunde, beispielsweise in türkischer oder arabischer Sprache.

Der Kunstverein hat rund 100 Mitglieder in ganz Deutschland. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 25 Euro pro Jahr. Für einige Aktionen gibt es eine Förderung der Stadt. Doch vor allem lebt der Verein vom Ehrenamt. Stier und Bunte sind sich einig: „Ohne das Ehrenamt geht es nicht.“

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