Der Branich-Tunnel, der am Samstag eröffnet wird, soll zu einer grundlegenden Entlastung der Talstraße im Speziellen und des Schriesheimer Ortskerns im Allgemeinen führen. In der zweiten Folge der kleinen Artikelserie über die Vorgeschichte des Bauwerks zeigen wir heute auf, wie sich diese Idee entwickelt und ihre ersten Hürden nimmt.
Seit Jahrhunderten ist die Talstraße eine zentrale Erschließungs-Trasse zwischen dem Odenwald und der Rheinebene. Mit Pferdefuhrwerken und sogar dem aufkommenden Autoverkehr in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts klappt das noch gut. Doch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg macht die zunehmende Motorisierung im Zeichen des Wirtschaftswunders deutlich, dass dies nicht so bleiben wird.
Erste Ideen für eine Umfahrung der Talstraße kommen auf. Dabei ist übrigens nicht die Entlastung der Anwohner vom Verkehr mit seinem Gestank und Lärm der Beweggrund, sondern das bequemere Fortkommen für den Individualverkehr; es gilt das Ziel der autogerechten Stadt.
Entsprechend sehen die damaligen Ideen aus, die 1956, also genau vor 60 Jahren, aufkommen. Die ersten Planungen beinhalten eine Umgehungsstraße von Dossenheim her kommend entlang des Berghanges unterhalb der Strahlenburg - nicht auszudenken, wie sich deren Silhouette heute präsentieren würde, wäre diese Idee umgesetzt worden. In den sechziger Jahren kommt eine zweite Variante auf: am Hang des Branich.
In der Tagespolitik spielt das Thema Talstraßen-Umfahrung jedoch noch keine Rolle. Das ändert sich, als die Zustände in der Talstraße immer schlimmer werden. Es sind die Anwohner Valentin Merkel und Philipp Gaber, die am 7. November 1973 eine Bürgerinitiative gründen, um den aktuellen Bürgermeisterwahlkampf dafür zu nutzen, ihr Anliegen voranzubringen. Dabei setzen sie erstmals explizit auf einen Tunnel.
Mit ihrem Kalkül ist die BI erfolgreich: Der aussichtsreichste Kandidat der Bürgermeisterwahl, der 31-jährige Peter Riehl, wird Mitglied der Initiative. Seine ganze Amtszeit über wird er Wort halten, sich dem Ziel eines Tunnels verschreiben.
1976 Antrag ans Land
Im August 1976 beschließt der Gemeinderat einen entsprechenden Antrag an die Landesregierung. "Das Planfeststellungsverfahren wird schwierig", antwortet der für den Verkehr zuständige Wirtschaftsminister Rudolf Eberle (CDU) - und sollte damit Recht behalten.
Aber auch weiterhin spielt der Tunnel politisch keine entscheidende Rolle. Weder beim Besuch von Ministerpräsident Filbinger 1978 noch bei den zahlreichen Visiten seines Nachfolgers Späth ist er Thema. Zunächst setzt Riehl alles daran, das Projekt in der langfristigen Straßenbauplanung des Landes, dem sogenannten Generalverkehrsplan, zu verankern. Eine wichtige Etappe dafür ist eine Bürgermeisterkonferenz mit dem 1984 ins Amt gekommenen und für Straßenbau zuständigen Innenminister Dietmar Schlee (CDU).
Auf Grund der Vielzahl anstehender Straßenbauprojekte beruft die Landesregierung vier Regionalkonferenzen ein; auf ihnen sollen die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden ihre Wünsche begründen.
Für den nordbadischen Raum findet das Treffen in Sinsheim statt. Ab acht Uhr morgens präsentieren die Bürgermeister ihre Projekte. Nachdem Ladenburgs Reinhold Schulz gesprochen hat, ist gegen 12 Uhr Peter Riehl an der Reihe.
Doch anstatt eine Rede für den Tunnel zu halten, sagt Riehl: "Auch ich könnte hier mein Projekt jetzt wortreich vorstellen, doch bei uns in Schriese wird um 12 Uhr zu Mittag gegessen." Und so macht er einen unkonventionellen Vorschlag: "Herr Minister, machen Sie eine Pause und kommen Sie mit uns zu einem Vesper nach Schriesheim und verschaffen Sie sich dort vor Ort selbst einen Eindruck von der Talstraße." Perplex stimmt Minister Schlee zu.
Plötzlich jedoch erinnert sich Riehl, dass seine Verwaltung an diesem Tag einen Ausflug macht. Er fährt dem Ministerkonvoi voraus, rast sogar auf der Standspur der Autobahn an einem Stau vorbei, schafft es gerade noch, einen Imbiss zu organisieren. Vor allem gelingt es ihm, dem Minister die Lage in der Talstraße plastisch zu demonstrieren - es ist Freitagmittag, Berufsverkehr, und in der Talstraße geht mal wieder nichts.
"Ja, ich bin überzeugt", bekennt denn auch der Minister. Und das Projekt Branich-Tunnel landet im Generalverkehrsplan des Landes. Die erste Hürde ist geschafft.
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