Ladenburg. Auf mehreren Dächern von Gewächshäusern der Gärtnerei Ernst im Ladenburger Stadtteil Neuzeilsheim wird nun mit Photovoltaik (PV) erneuerbare Energie erzeugt. Die Familie Pfister vom Kulturverein Kettenheimer Hof gründete die „Sonnen-Gärtnerei“. Deren Pilotanlage nutzt fast 5.000 Quadratmeter gepachtete Glasdachflächen, hat eine Leistung von 750 Kilowatt-Peak (kWp) und produziert grünen Strom, der für rund 200 Haushalte reichen würde. Am Freitag wurde sie mit dem ehemaligen Bundesminister Cem Özdemir (Grüne), der 2026 in Baden-Württemberg als Ministerpräsident kandidiert, offiziell eröffnet.
„Die Idee kam zustande, weil wir einen aktiven Beitrag zur Energiewende leisten wollten, aber in der Altstadt bis vor kurzem weder eine PV-Anlage installieren, noch eine Erdwärmebohrung machen durften“, erklärt Stefan Pfister, dessen Familie 2019 den Kettenheimer Hof erwarb. Erst kürzlich erlaubte die neue Altstadtsatzung PV auf nicht einsehbaren Dachflächen. „Das wollen wir auch noch machen“, sagt Pfister.
Die größte Herausforderung bei der Gewächshaus-PV war, eine passende Dachfläche mit Pächter zu finden. Pfister ist „froh und dankbar, die Familie Ernst gefunden zu haben“. Als weiteres Hindernis habe sich das Landratsamt Heidelberg erwiesen: „Dort wollte man sich lange nicht festlegen, ob ein Bauantrag nötig ist.“ Grundsätzlich sieht das Baurecht jedoch keine Genehmigungspflicht vor.
Jetzt hofft die Familie, dass ihre Sonnen-Gärtnerei nicht die letzte dieser Art bleibt. „Hoffentlich können wir in Ladenburg zeitnah nachlegen mit einem großen netzdienlichen Speicher, denn daran hakt es ja im Moment am meisten, dass der Strom zu Stoßzeiten nicht genutzt und gespeichert werden kann.“
Der Initiator des Projektes hat noch viel mehr vor
Auf Nachfrage erklärt Pfister, dass derzeit keine Beteiligung an der Anlage möglich sei: „Aktuell gibt es keine Teilhabe, aber bei Wachstum wäre das eine Option.“ Der Strom werde ins öffentliche Netz eingespeist, „weil es leider kein Energy-Sharing in Deutschland gibt“, so Pfister. Die EU hat zwar die Grundlage für lokale, gemeinschaftliche Stromerzeugung geschaffen, aber es mangelt an der nationalen Umsetzung.
Ziel der Sonnen-Gärtnerei ist es, durch nachhaltige Flächennutzung lokale Energieversorgung zu ermöglichen und ein Modell für ähnliche Standorte zu schaffen. Ein großer Energiespeicher soll als Nächstes eingerichtet werden. „Danach kann das Modell auf ähnliche Flächen in der Region angepasst werden“, erklärt Pfister. Mit der Firma „So.Le. green energy“ (Neulußheim) habe die Familie einen kompetenten Partner. Geschäftsführer Rudi Lehmayer wünscht sich von der Politik: „Dass die Entwicklung der erneuerbaren Energien verlässlich weitergeht und wir endlich als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu den Netzbetreibern gesehen werden.“
Ladenburgs Bürgermeister Stefan Schmutz (SPD) lobt die „beispielhafte Kooperation, von der alle profitieren“ ebenso vor Ort wie die Schriesheimer Landtagsabgeordnete Fadime Tuncer (Grüne). Die Anlage leiste einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und ermögliche die weitere Nutzung der Gewächshäuser. „Eine echte Win-Win-Lösung“, so Schmutz.
Grünenpolitker Özdemir sieht das ebenso: „Es ist hier etwas Großartiges entstanden, das nahe an der Agri-PV ist, und darin liegt die Zukunft“, sagt der ehemalige Bundesminister. „Wir haben uns bei der Verleihung eines Wissenschaftspreises kennengelernt“, erklärt Pfister die Verbindung zu Özdemir.
Aus Verantworung für lebenswerte Zukunft der Kinder
Pfister ist Kinderonkologe in Heidelberg und erhielt 2023 den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Im selben Jahr gründete er mit seiner Frau Martina, Kultur-Bürgermeisterin der Stadt Heidelberg, seiner Schwester Sabine und deren Mann Rainer, die beide in Tübingen leben, die Sonnen-Gärtnerei als private Gesellschaft. Pfister begründet das mit der „Verantwortung, unseren Kindern eine lebenswerte Umgebung zu hinterlassen“.
Für Martina Pfister ist das Projekt ein „Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Zukunftssicherheit“. Kinderärztin Sabine Pfister sieht in der dezentralen Energiewende eine „Kernaufgabe für unsere Gesellschaft.“ Die neue „Sonnen-Gärtnerei“ in Neuzeilsheim setzt einen örtlichen Trend fort: Mitte August stellte Jürgen Herbert eine riesige Freiflächen-PV-Anlage auf Agrarflächen entlang der Bahnlinie im selben Stadtteil Neuzeilsheim vor. Die Landwirtfamilie Meng errichtet dort derzeit eine Hofbiogasanlage. Die Bürger-Initiative für Photovoltaik in Ladenburg (Bipla) hat auf dem ehemaligen ABB-Gelände eine Freiflächenanlage mit 400 kWp errichtet.
Ein geplantes Solarprojekt der Bipla entlang der Bahnlinie wurde jedoch vorerst gestoppt. Auf der Lärmschutzwand an der Bahnstrecke sollten PV-Anlagen angebracht werden. Der Grund für den Stopp waren Aussagen von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und die damit einhergehende finanzielle Unsicherheit für das Projekt, das bereits eine Förderzusage des Landes in Höhe von 120.000 Euro aus dem Programm „Flächen doppelt nutzen – PV an Mobilitätsinfrastrukturen“ erhalten hatte.
Seit Jahren betreibt die Landwirtfamilie Maas im Stadtteil Neubotzheim eine Biogas- und PV-Anlage.
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