Schriesheim. Ein Wochenende lang feierte der 144-Seelen-Ort Ursenbach seine Eingemeindung nach Schriesheim vor 50 Jahren. Höhepunkt war am Samstagabend ein Festakt, der durch die Schriesheimer Jagdhornbläser und den Ursenbacher Sängerchor musikalisch gestaltet wurde.
In ihrer Begrüßung gab Ortsvorsteherin Inge Pfrang einen Einblick in das Ursenbacher Leben vor 50 Jahren, das geprägt war von landwirtschaftlicher Arbeit der insgesamt neun ansässigen Bauernhöfe. Auf viele Annehmlichkeiten habe man verzichten müssen, dennoch sei es ein zufriedenes, ja glückliches Leben inmitten der Natur gewesen.
Weinhoheiten sind da
Pfrang ging auch auf die Gemeindegebietsreform ein, die den Dörfern ihre Selbstverwaltung nahm und sie aufforderte, sich größeren Gemeinden anzuschließen. „Wir Ursenbacher entschieden uns nicht für Oberflockenbach, sondern für Schriesheim, wollten dorthin, wo das Wasser hinfließt“, zitierte sie den ehemaligen Ortschaftsrat Sommer.
Es folgten Grußworte der Weinhoheiten und des Schriesheimer Bürgermeisters Christoph Oeldorf. Er verglich das Jubiläum mit 50 Ehejahren, in denen es schlechte wie auch gute Tage gebe. Hier sah er jedoch mehr gute Tage. Er sei davon überzeugt, dass die Eingemeindung für alle Bürger einen Vorteil gebracht habe. In diesem Zusammenhang erwähnte er den Glasfaserausbau. „Eingemeindung heißt aber auch, dass jede Gemeinde ihre liebenswerten Eigenarten beibehalten darf“.
Für Einlagen sorgten die drei Tenöre Hans Sommer, Rolf Pranner und Manfred Sommer mit der Ursenbach-Hymne (zur Melodie des Badner-Liedes) sowie die Theatergruppe mit humorvoller Persiflage auf die Eingemeindung. Augenzwinkernd bezeichneten sie dabei Schriesheim als „Ursenbach-West“ und - unter Hinweis darauf, dass die glücklichsten Menschen der Welt angeblich in Bhutan leben - Ursenbach als „Bhutan des Odenwalds“.
„MM“-Redakteur hält Festrede
Die Festrede hielt „MM“-Redakteur Konstantin Groß, der die Ortschronik über Ursenbach verfasst hat. Er ging auf die geschichtlichen Hintergründe ein, die zur Eingemeindung nach Schriesheim führten. Vor der Gemeindegebietsreform lebten in dem idyllischen Dörfchen recht zufrieden 170 Bürger. Es gab zwei Wirtshäuser, die „Krone“ und das „Café Löhr“. „Die Gemeinde war gesund und wurde optimal geführt“, stellte der Festredner fest.
Die im Landtag 1968 beschlossene Gebietsreform bestimmte, dass anstelle von 3000 Gemeinden nur noch 1000 ihre Eigenständigkeit behalten dürften. Dies hieß für den Landkreis 54 statt bisher 120 Gemeinden. Über den Anschluss an Schriesheim mussten die 102 Ursenbacher Wahlberechtigten noch abstimmen. Zur Wahlurne gingen 43, mit Ja stimmen 35, acht mit Nein. „Somit war die Eingemeindung vollzogen“. Mit der unechten Teilortswahl erreichten die Ursenbacher eine für sie optimale Lösung, denn so stellen sie ein Mitglied des Schriesheimer Gemeinderates.
Zu den Wählern von 1972 zählten auch Waltraud und Helmut Fath, die beide mit „Ja“ gestimmt haben. „Die Eingemeindung hat uns viele Vorteile gebracht“ - davon ist die Witwe des ehemaligen Motorrad-Weltmeisters bis heute überzeugt, wie sie im Gespräch mit dem „MM“ verriet.
Einer, der damals noch nicht wahlberechtigt war, ist Rolf Edelmann. Damals habe er mehr nach Leutershausen tendiert, erinnerte sich der heutige BdS-Chef. Sein Vater hingegen war für Schriesheim. Aus heutiger Sicht sei die Entscheidung kein Fehler gewesen, räumte er ein. Die größte Blüte habe Ursenbach unter Peter Riehl erlebt, der ein Faible für Ursenbach gehabt habe. „Alles, was wir damals beantragt haben, hat er befürwortet“, erinnerte er sich. Dabei denke er an das Dorfgemeinschaftshaus, an die Kapelle und den Friedhof, der auf Vordermann gebracht wurde. „Egal, wie klein Ihr seid - was die anderen bekommen, das bekommt Ihr auch“, sei Riehls Devise gewesen.
Auch die Jugend fühlt sich wohl
Dass sich auch die Jugend heute in Ursenbach wohl fühlt, das ergab eine von Moderator Uwe Petzold geleitete kleine Talkrunde zwischen Friedrich Müller, einem Alt-Ursenbacher, und den jungen Ursenbachern Anna Köster, Hannah Rudolph und Alessio Scali. Müller erzählte von seiner arbeitsreichen, aber dennoch unbeschwerten Kindheit und davon, wie er noch in eine Einklassenschule ging. Wohl fühlen sich inmitten von Natur zwar auch die Jugendlichen. Was sie jedoch mächtig stört, das ist die katastrophale Busverbindung. Doch mit dieser Kritik standen sie nicht alleine.
Dann aber gehörte die Bühne der Band Gardenparty. Am Sonntag ging das Fest mit den Brass Blowers und mit einem Programm für die Jüngsten in die zweite Runde.
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