Schriesheim - Matinée im Kerg-Museum zum philosophischen Thema "Ist das Kunst oder kann das weg?"

Plädoyer für "notwendigen Luxus"

Von 
Linda Wallitzer
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Professor Dr. Jochen Hörisch (Bild links) bei seinem Vortrag im Kerg-Museum Schries-heim, der zahlreiche interessierte Zuhörer anzog.

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Unterhaltsam und dennoch wissenschaftlich fundiert - so präsentierte sich gestern die Matinée zum Thema "Ist das Kunst oder kann das weg?" im Schriesheimer Kerg-Museum.

Prof. Dr. Jochen Hörisch, Ordinarius für Neuere Germanistik und Medienanalyse an der Universität Mannheim und privat im Stadtteil Altenbach zu Hause, durchleuchtete in der ihm eigenen Weise die Vieldeutigkeit des Kunstbetriebes. Und um es gleich zu sagen: "Kunst darf nicht weg, weil Kunst Probleme behandelt", lautete seine These.

Doch zunächst der Reihe nach: Museumsleiterin Lynn Schoene, erfreut über den großen Zuspruch dieser Veranstaltung des Kulturkreises, wies auf Mike Krüger hin. Für eine TV-Sendung hatte er einst den einprägsamen Titel geschaffen, der auch über dieser Matinee stand.

Hörisch seinerseits erinnerte an das Entfernen von künstlerischen Werken wie beispielsweise der Fettecke eines deutschen Künstlers und entwickelte das Gleichnis: "Abfall oder produktive Häresie". "Neues Schaffen, anders denken" zeichne eben die Kunst als "Avantgarde" aus, stellte Hörisch fest. Die Kehrseite: andauernde Kulturrevolution, ständiges und allgemeines Suchen nach neuen Optionen, lasse die Avantgarde zur Massenbewegung werden - was die Erfüllung ihrer Funktion erschwere. Das Privileg der Kunst sei zu einem Alltagswert geworden.

"Kunst ist jedoch notwendiger Überfluss", so Hörisch. Wer setzt sich durch? Was wird bleiben? Was wird zur Disposition gestellt? "Kunst ist notwendig." Auf frühere Zeiten eingehend, bezeichnete der Referent Künstler mit revolutionären Gedanken als "vom rechten Glauben Abgefallene". Von ihnen wurde Neues erwartet - Künstler und Denker als Hoffnungsträger, teilweise zu Recht: "Wir haben dazu gelernt", so sein Fazit, etwa eine andere Hierarchie der Werte entwickelt.

Den Kopf wieder frei zu bekommen für den nächsten Schub an philosophischen Bedeutsamkeiten im Umgang mit Kunst - dafür sorgten die beiden Musiker Olaf Schönborn (Saxofon) und Judith Goldbach (Kontrabass) mit Jazz-Melodien auf ebenso hohem Niveau. Sie trugen unter anderem Stücke von Cole Porter oder bekannte Standards musikalisch zur Entspannung vor.

"Kann sich eine Stadt wie Schriesheim das Kerg-Museum leisten?", fragte Professor Hörisch zu guter Letzt in die Runde des aufmerksamen Publikums. Seine ambitionierte Antwort: "Ja, ja, ja, wir sollten uns diesen notwendigen Luxus leisten". Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Tradition einer starken Provinzkultur in Deutschland. Und ergänzt, angelehnt an ein bekanntes Zitat von Friedrich Nietzsche: "Ohne Kultur wäre das Leben ein Irrtum".

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